Gemeinsam statt einsam

Heiligabend mit wildfremden Menschen verbringen. Für Tamara Franziska Müller absolut kein Problem. Die 36-jährige Mutter aus Dittingen deckt dieses Jahr bereits zum siebten Mal ihren Familientisch für Menschen, die sie vorher noch nie getroffen hat.

<em>Offenes Haus: </em>Die Familie Müller (v.l. Jonas, Lea und Tamara Franziska) lädt an Heilig- abend zu Tisch.<em> Foto: Melanie Brêchet</em>
<em>Offenes Haus: </em>Die Familie Müller (v.l. Jonas, Lea und Tamara Franziska) lädt an Heilig- abend zu Tisch.<em> Foto: Melanie Brêchet</em>

Die Energie von Tamara Franziska Müller scheint schier unerschöpflich zu sein. Die alleinerziehende Mutter fungiert als Vizepräsidentin des Dittinger Schulrats, arbeitet als Gesprächstherapeutin, erledigt die Buchhaltung einer Laufentaler Garage, backt Torten auf Bestellung und bietet Backkurse für Kinder an. Als wäre dies alles noch nicht genug, führt sie vorübergehend den Dittinger Mittagstisch, bis die Gemeinde eine dauerhafte Lösung bieten kann. So hat sie täglich fünf bis neun Kinder für das Mittagessen am Tisch.

Man könnte darum sagen, dass es für Tamara Franziska Müller nicht aussergewöhnlich ist, mit vielen Leuten am Esstisch zu sitzen. Ihr Engagement ist dennoch bemerkenswert. Via Social Media lädt sie auch dieses Jahr wieder zu einer Weihnachtsfeier an Heilig- abend ein. «Das Angebot richtet sich an alle, die gerne in einer geselligen Runde feiern möchten», sagt Müller. Das können Alleinstehende sein, ältere Menschen, Alleinerziehende, aber auch Paare und Familien mit Kindern. «Das Fest steht wirklich allen Interessierten offen, es sind alle herzlich eingeladen» sagt sie weiter.

«Helfen gibt mir ein gutes Gefühl»

Sie sei schon immer sehr sozial eingestellt gewesen, sagt Tamara Franziska Müller. Die Idee für dieses offene Weihnachtsfest stammt aber von ihrem elfjährigen Sohn Jonas. «Da schlägt er wohl mir nach», lacht Müller. Jonas habe sich schon als kleiner Bub für Menschen interessiert. Durch ihren Beruf als Gesprächstherapeutin habe er schon früh mitbekommen, dass es Menschen gibt, die einsam sind oder in schwierigen Verhältnissen leben. So hätten sie auf Jonas’ Initiative hin auch schon zusammen für obdachlose Menschen Weihnachtsgutzi gebacken. Der Verein Schwarzer Peter habe diese dann an Weihnachten den Bedürftigen aufgetischt. Irgendwann sei von Jonas der Vorschlag gekommen, man könne die Leute, die sonst allein feiern würden, einfach einladen. Im Jahr 2013 wurde diese Idee schliesslich zum ersten Mal umgesetzt.

Weihnachtsfeier dank Spenden

An diesen Abenden sorgt Tamara Franziska Müller für genügend Platz in der gemütlichen Stube. «Bis jetzt hat es immer gereicht» sagt sie, «falls wir einmal zu viele sein sollten, finden wir sicherlich irgendwo in externen Räumlichkeiten Platz.» Gemeinsam geht es dann ans Kochen. Das Abendessen finanziert Müller aus Spenden, die sie von Privaten, aber auch von Firmen erhält. Das sind meistens Geldspenden für den grossen Einkauf. Es komme aber auch vor, dass Nahrungsmittel gespendet würden. Ausserdem kauft Müller ein Geschenk für jedes Kind, das an diesem Abend dabei ist.

Aufgetischt werden Gerichte, die ohne grossen Aufwand zuzubereiten sind, zum Beispiel Raclette oder zum Dessert – auf vielfachen Wunsch der Kinder – ein Schokoladenbrunnen. Anschliessend wird gefeiert. Einziges traditionelles Element bleibt dabei der Weihnachtsbaum. Ansonsten schaue man jeweils, was der Abend bringe, sagt Müller. Die Feiern seien bisher immer sehr schön gewesen. Unterschiedlichste Menschen hätten sich bis in die frühen Morgenstunden in Gespräche vertieft oder einfach gespielt. Dabei komme es immer wieder zu spannenden Begegnungen. Tamara Franziska Müller erinnert sich an ein Jahr, in dem sich eine Anwältin und eine Frau kennen lernten. Die Anwältin habe, anschliessend an die gemeinsame Feier, einen Fall der Frau kostenfrei übernommen und dieser somit sehr geholfen. Auch die Kinder von Müller, Jonas und seine siebenjährige Schwester Lea, freuen sich jedes Jahr aufs Neue auf Heiligabend. Sie hätten immer grossen Spass mit den Kindern, die mit ihnen Weihnachten feiern, sagen sie.

Wer bei Tamara Franziska Müller Heiligabend verbringt, muss keinen langen Heimweg antreten. «Wer nicht mehr nach Hause kommt oder auch nicht mehr fahren kann, darf bei uns übernachten, da sind wir sehr flexibel.» So wird das Kinderzimmer schon mal zum Massenlager umfunktioniert.

Schlechte Erfahrungen hat die Familie Müller an ihren offenen Weihnachtsfeiern noch nie gemacht. Tamara Franziska Müller bedauert einzig, dass die Leute immer noch oft Hemmungen hätten, so ein Angebot anzunehmen. Sie habe die Erfahrung gemacht, dass sich gerade ältere Menschen etwas schwertun. «Das müssen sie aber nicht», sagt sie, «wirklich alle sind von Herzen willkommen.»

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