Die Näherinnen sind zurück!
Nähen erlebt einen Boom. Stoffläden und Schneiderateliers schiessen wie Pilze aus dem Boden und Kurse sind augenblicklich ausgebucht. Was hat diese Leidenschaft wiedererweckt?
Darben mussten sie, all die Näherinnen aus dem Laufental und dem Schwarzbubenland, als das Laufner Bernina-Nähcenter mit seiner Stoffauswahl schloss. Damals schien das Hobbynähen auszusterben. Niemand konnte sich vorstellen, dass es zu einem Revival kommen könnte. Doch nun gehen neue Stoffläden auf und Schneiderateliers eröffnen. Sogar die Volkshochschule hat bereits zum dritten Mal Nähkurse in Laufen angeboten, die jeweils schnell ausgebucht waren.
Was macht die neu erwachte Faszination am Nähen aus? Das Wochenblatt hat sich auf die Spurensuche gemacht.
Integration beim Nähen
Die Laufner Stadträtin Carole Seeberger hat mithilfe des Vereins «Zämme stoo» eine Nähwerkstatt gegründet. Hier treffen sich wöchentlich 5 bis 10 Migrantinnen und Schweizerinnen, um zu nähen und Bienenwachstücher herzustellen. Dabei ist das Nähen nur Mittel zum Zweck. «Das Hauptziel ist die Integration in die Gesellschaft und in den Arbeitsmarkt», erklärt Seeberger. Die Frauen kommen zusammen, stellen etwas her und müssen deutsch sprechen. Sie lernen, regelmässig zu kommen und im Team zu arbeiten. Das Nähen und die Fabrikation der Bienenwachstücher sind eine Herausforderung. «Was passiert, wenn jemandem etwas misslungen ist? Wie gehen die Betroffene und die Gruppe damit um?», erläutert Seeberger weitere Lernprozesse. Wichtig ist auch, dass die Bienenwachstücher verkauft werden können, um damit die benötigten Geräte und das Material bezahlen zu können. Ein Besuch an einem Morgen zeigt, wie ernsthaft und vertieft die Frauen bei der Arbeit sind, auch wenn durchaus Zeit für eine kurze Teepause bleibt und die kleinen Kinder durch die Räume toben.
Vorbereitung auf Berufsleben
«Nähen schult das Vorstellungsvermögen und die Feinmotorik. Und man lernt, ein Projekt von A bis Z durchzuziehen», sagt Christa Bloch. Und sie muss es wissen, denn die gelernte Damenschneiderin unterrichtet seit vielen Jahren textiles Werken an der Sekundarschule und am Gymnasium in Laufen. Dabei beginne ein neues Projekt schon bei der Bedürfnisanalyse. Die Jugendlichen müssten sich überlegen, was ihnen wichtig sei. Weiter gehe es über die Modellzeichnung und die Schnittmustersuche zur Grössenbestimmung, zur Stoffauswahl und zur Stoffmengenberechnung. Sodann müssen die Jugendlichen den Arbeitsablauf festlegen und neue Nähtechniken lernen. Und das alles, bevor sie die Schere ansetzen dürfen! Wer sich Mühe gibt, hat am Schluss ein Designstück, das er stolz zeigen kann, so Bloch. Die anderen haben immerhin etwas, worüber sie nachdenken können, ist man geneigt zu sagen. Gibt es eine bessere Vorbereitung auf das Berufsleben? Das scheinen nicht alle so zu sehen. «Früher gab es auf der Sekundarstufe vier Lektionen textiles Werken pro Woche, und dies über ganze vier Jahre. Nun sind es noch zwei Lek-tionen in einem Semester. In der 2. und 3. Sekundarschule wird das Werken nur noch als Wahlpflichtfach angeboten», bedauert Bloch.
Teil des Lebens
Eine, die näht, näht und näht, seit sie es in der Schule gelernt hat, ist Marianne Volonté. In Nunningen hat die gelernte Handarbeitslehrerin das Nähcafé gegründet, wo im Winterhalbjahr Nähbegeisterte die Maschinen rattern lassen. Und sie näht fast all ihre Kleider selber. Angefangen hat sie in ihrer Jugend, als sie für ein Tauffest aus einem alten Leintuch ihren ersten Jupe nähte. Nun benäht sie auch ihre Familie. Ihre Motivation? «Dieses Geräusch, wenn die Schere durch den Stoff schneidet!», schwärmt Volonté. Hinzu komme, dass sie sich die Kleider auf den Leib schneidern kann, sodass sie gut passen und bequem sind. Richtige Designerstücke eben. Als positiver Nebeneffekt ist das Nähen ein Hobby, das die Haushaltskasse entlastet. Sie kaufe qualitativ hochstehende Stoffe und trotzdem seien ihre selbst gemachten Kleider günstiger als gekaufte, so Volonté. Doch das Wichtigste: «Nähen macht Spass!»