Altes Quecksilber schlägt zurück
Quecksilber war in der Vergangenheit geläufig, um Holz zu imprägnieren. Mehr als 30 Jahre später sind die Spätfolgen brutal.
Glück im Unglück haben wohl etliche der rund zehn Wagencliquen, die ihre Wagen in der Halle der ehemaligen Arizona Pool Schweiz AG in Zwingen abgestellt haben. Denn das giftige Quecksilber verdampft vor allem während der heissen Jahreszeit. Und im Augenblick müssen sie auch kaum in die Halle. Dies im Gegensatz zu den Besitzern der Wohnwagen. Die Halle ist nämlich seit Ende August aufgrund einer Verfügung der Gemeinde Zwingen gesperrt. In der Innenluft war die Konzentration an elementarem Quecksilber an warmen Tagen und ja nach Luftdruck bis zu dreimal so hoch wie der aktuelle Grenzwert an Arbeitsplätzen, erklärt Rainer Bachmann vom kantonalen Amt für Umweltschutz und Energie. Gemäss der Verfügung bleibt die Halle sicher bis Ende November gesperrt. So lange können die Mieter sie nur betreten, um unter Begleitung ihre Sachen zu holen.
Um die Quecksilberbelastung in der Hallenluft zu senken, werden Sofortmassnahmen geprüft. Das Quecksilber verdampft zum grössten Teil aus dem Untergrund in der Nähe der zwei ehemaligen Tauchbecken. Da wurde quecksilberhaltige Beize benutzt, um hölzerne Poolumrandungen zu imprägnieren, so Bachmann. In diesem Bereich saugt nun das Solothurner Umweltbüro SolGeo AG die Luft ab und filtert das Quecksilber aus. Ob das zielführend ist, wird sich Ende November zeigen. Dann kann die Gemeinde Zwingen über das weitere Vorgehen entscheiden.
Komplexe Vorgänge bedingen komplexe Messungen und Abklärungen
Dass die Hallenluft dermassen mit Quecksilber belastet ist, kommt für den Kanton überraschend. Bereits 2017 lag nach umfangreichen Altlastenuntersuchungen eine Sanierungsvariante vor, welche auf rund 10 Millionen Franken geschätzt wurde. Aufgrund der hohen Kosten habe der Kanton beschlossen, zum Sanierungsvorhaben ein Drittgutachten zu erstellen. Dabei hat sich gezeigt, dass weitere Standortuntersuchungen notwendig sind. Diese hat der Grundeigentümer dann beantragt.
Allerdings suchte man damals vor allem nach Quecksilberkontaminationen im Untergrund des Areals. Man stellte fest, dass das Quecksilber unmittelbar beim Standort auch ins Grundwasser gelangt. «Allerdings konnte bei der Pumpstation Wyden kein Quecksilber im Trinkwasser gemessen werden», sagt Bachmann.
Wieso wurde das Quecksilber in der Luft nicht vorher entdeckt? Diese Messung sei nicht üblich, erklärt Manfred Flum von der Firma SolGeo AG. Auch gebe es für Quecksilber in der Schweiz keine Anwendungen mehr, sodass nicht viel Wissen vorhanden sei. Deshalb hätten die Vorgänger keine Luftmessung gemacht.
Bachmann rechnet damit, dass 2020 das Sanierungsprojekt ausgearbeitet und ab 2021 das Areal saniert werden kann. Die vorliegende Sanierungsvariante sieht vor, die Halle abzubrechen und das belastete Material auszuheben. Ein beträchtlicher Teil der Kosten wird wohl am Kanton hängen bleiben, da die verantwortliche Arizona Pool Schweiz AG 2011 Konkurs ging.
Martin Jermann ist Eigentümer des Areals und war am Anfang zusammen mit seinem Bruder Erich Jermann Eigentümer der Arizona Pool. Er rechnet damit, einen Teil an die Sanierung zahlen zu müssen, ebenso der jetzige Baurechtnehmer. Wenn die Halle abgerissen ist, könne man auf dem Areal attraktive Wohnhäuser bauen, so Jermann.
Harzige Absperrung
Die Empfehlung, die Halle sofort zu sperren, kam vom Kanton. Weil die Gemeinde auch die Funktion der Gesundheitspolizei hat, ist sie mit der Durchsetzung beauftragt. Gemäss Andreas Schärer, Zwingener Gemeindeverwalter, wurde die Firma Wyss Treuhand AG als Vermieterin per Verfügung verpflichtet, die Mieter zu informieren. Vier Tage nach der sofortigen Sperrung hatte die Aescher Wyss Treuhand AG noch keinen Hinweis an die Türen der Halle geschlagen.
Dem Wochenblatt gelang es an jenem Abend, mit drei Mietparteien zu sprechen. Sie alle sagten, sie seien nicht vom Vermieter kontaktiert worden. Sie machen sich aber auch keine Sorgen um ihre Gesundheit. Pascal Pelladoni von der Basler Wagenclique «Zäpflibysser» sorgt sich mehr darum, ob er einen anderen Platz für den Wagen findet.
Eine Woche nach der sofortigen Sperrung der Halle erklärt Alain Wyss vom Treuhandbüro Wyss AG, dass selbstverständlich alle effektiv betroffenen Mieter informiert wurden. «Wir hatten bereits mit einigen davon Kontakt und haben bisher sämtliche Anliegen klären können.»
Ernsthafte Gesundheitsgefährdung
Quecksilber kann sehr ernsthafte und auch dauerhafte Krankheiten auslösen. Es greift gemäss Suva-Datenblatt vor allem Nerven, Nieren, den Magen-DarmTrakt und die Haut an. Es dauert viele Jahre, bis Quecksilber wieder aus dem Gehirn abgebaut wird. Die Baselbieter Kantonsärztin Monika Hänggi empfiehlt, zur Hausärztin zu gehen, wenn ein ehemaliger Mitarbeiter oder ein Mieter Bedenken habe. Quecksilber könne man im Blut nachweisen. Allerdings sei es schwer zu sagen, welche Konsequenzen es habe. Einmal aufgenommen, kann Quecksilber medizinisch nicht aus dem Körper entfernt werden.