Sparkurs: «Es wird wehtun»
Das nächste Sparpaket steht an, und es wird noch einschneidender als das letzte. Reinach steht vor finanziell fordernden Jahren. Vereine soll es dieses Mal aber nicht treffen.
Gemeindepräsident Ferdinand Pulver (FDP) versuchte an der Einwohnerratssitzung am Montagabend erst gar nicht, die Situation schönzureden – im Gegenteil. Die Situation sei schwieriger als noch vor vier Jahren, als Gemeinderat und Einwohnerrat ein umfassendes Sparpaket schnürten und den Steuerfuss von 52 auf 54,5 Prozentpunkte erhöhten. Die Zitrone sei schon zu grossen Teilen ausgepresst, das strukturelle Defizit in der Höhe von rund 7 Millionen Franken sei aber unverändert da. Kleinere Kürzungen an allen Ecken und Enden würden dieses Mal nicht mehr reichen, mahnte Pulver. Es brauche grössere Einschnitte, um die Gemeinde Reinach nachhaltig auf stabile Füsse zu bekommen. Und das müsse das Ziel sein, stellte der Gemeindepräsident klar. «Es wird schmerzhafter als 2021 werden. Egal, was wir tun werden: Es wird wehtun.» Vereine würden dieses Mal nicht Teil des Sparpakets sein, versprach Pulver.
Dass die Gemeinde noch über ein stabiles Eigenkapital von rund 90 Millionen Franken Ende 2023 verfügt, bringe Zeit, besonnen vorzugehen und wirklich nachhaltige Massnahmen zu ergreifen. Doch greifen eingeleitete Massnahmen nicht oder finden sie im Einwohnerrat keine Mehrheiten, resultierten gemäss Prognosen die jährlichen Defizite zwischen 4,8 und 9,3 Millionen Franken, und damit würde das Eigenkapital bis auf 33,4 Millionen Franken sinken. Die laufenden Schulden erhöhen sich bis Ende 2025 auf knapp 120 Millionen Franken.
Pulver will mehr Wettbewerbsfähigkeit
Gemeindepräsident Pulver setzt grosse Hoffnungen auf das aktuelle Wachstum von Reinach, das dank realisierten Quartierentwicklungen langsam Fahrt aufnehme. Es wäre aber naiv, sich nur darauf zu verlassen. Pulver warnte zugleich davor, dass die Attraktivität von Reinach aufgrund des Sparens nicht leiden dürfe. Auf der Einnahmenseite sieht Pulver Potenzial bei den juristischen Personen. Sein im Wahlkampf angekündigtes Vorhaben, Reinach für Unternehmen wieder attraktiver zu machen, will Pulver in den kommenden Monaten anpacken. Im Zentrum stehe das in die Jahre gekommene Gewerbe- und Industriegebiet Kägen, das dringend eine Aufwertung brauche.
Die Fraktionen waren sich an der Einwohnerratssitzung über die Dringlichkeit der Sparmassnahmen ungewöhnlich einig. Für FDP-Sprecher Thierry Bloch dürfe es dabei keine Tabus geben. Eine weitere Steuererhöhung forderte an diesem Abend aber niemand direkt. Die SP-Fraktion mahnte, dass die Sparmassnahmen nicht zu sozialen Einschnitten führen dürften. Katrin Joos (Grüne) forderte derweil ein stärkeres Kostenbewusstsein.
Einwohnerrat will Tagesfamilien erhalten
Die Finanzlage beeinflusst sämtliche Themen, die mit Kosten verbunden sind. So auch das Angebot der Tagesfamilien, dem in Reinach das Aus droht. Nach mehreren Jahren mit Verlusten von teilweise mehreren tausend Franken war der Vorstoss von Benedikt Husi (GLP) die letzte Chance für den Verein für familienergänzende Kinderbetreuung Reinach (FeB), das Angebot mit Tagesfamilien aufrechtzuerhalten.
Husi forderte mit einer offen formulierten Motion eine generelle finanzielle Unterstützung des Vereins FeB. Er liess offen, wie die Unterstützung genau aussehen soll. Ziel müsse es sein, dass es auch in Zukunft Tagesfamilien als Ergänzung zu Kindertagesstätten und zur schulergänzenden Betreuung geben kann. Unterstützung erhielt Husi von seiner Fraktion Mitte/GLP/Salz, der SP und den Grünen. Das reichte, um die Motion gegen den Willen von weiten Teilen der SVP und der FDP zu überweisen. Die SVP schlägt vor, die Beiträge der Gemeinde Reinach an das Theater Basel zugunsten des Vereins FeB zu kürzen, damit die Unterstützung kostenneutral gelingen kann.
Nun muss der Gemeinderat einen Vorschlag ausarbeiten, wie die Gemeinde den Verein FeB finanziell unterstützen kann. Einen Sockelbeitrag lehnt er weiterhin ab, weil ein solcher die Subjektfinanzierung über die Eltern aushebeln würde.