Reise durch Tagebuchwelten

Mit «Zwischen Welten» bringt die Theatergruppe tiramisù eine spannende Eigenproduktion auf die Bühne, basierend auf 1000 Tagebucheinträgen von Jugendlichen.

Langer Weg zur Identitätsfindung: Davide Fresta als Leo, Mike Ritter als Jean Claude, Ruben ten Cate als Jemand, Rebecca Stocker als Emma und Nick Huber als Chris (v. l.).  Foto: ZVG
Langer Weg zur Identitätsfindung: Davide Fresta als Leo, Mike Ritter als Jean Claude, Ruben ten Cate als Jemand, Rebecca Stocker als Emma und Nick Huber als Chris (v. l.). Foto: ZVG

Thomas Brunnschweiler

Regisseur und Theaterpädagoge Antonio Turchiarelli gründete 1999 am Bildungszentrum kvBL in Reinach die Jugendtheatergruppe «tiramisù». Der Name bedeutet wörtlich übersetzt «Zieh mich hoch!». Schliesslich soll Theaterspielen auch etwas sein, das Spielende und Zuschauer aufstellt.
Die Theatergruppe hat bisher sieben Produktionen auf die Bühne gebracht, darunter Stücke von Goldoni, Wedekind und Urs Widmer. Im Jahre 2003 erhielt «tiramisù» den Reinacher Kulturpreis. 

«Heute interessieren mich Klassiker nicht mehr so», erklärt Turchiarelli, «ich habe festgestellt, dass bei den Jugendlichen sehr viele Ideen vorhanden sind, die sich zu einer Eigenproduktion weiterentwickeln lassen.» Um einen Steinbruch an Einfällen zu haben, liess Turchiarelli hundert Schülerinnen und Schüler des Bildungszentrums kvBL über eine Zeitspanne von sieben Wochen Tagebuch führen. Das ergab unzählige Einblicke in die Welt von Jugendlichen zwischen 16 und 20 Jahren.

Anspruchsvolle Eigenproduktion

Zuerst galt es für alle, das Thema zu besprechen, danach, sich mit einer Figur auseinanderzusetzen, ja, sie erst einmal innerlich zu konzipieren. Aufgrund der Tagebücher entwickelten die Jungen die Figuren selbst und schufen damit etwas, was ihnen gehört. «Zunächst wollten wir eine Montage machen, aber schliesslich wurde eine Geschichte daraus, welche die Figuren in ihrer Entwicklung zeigt.» 

Am Anfang seien die Figuren noch mit sich selbst beschäftigt, würden sich verstellen und trügen deshalb auch Masken.
«Die Entwicklung der Figuren ist der rote Faden des Stücks», sagt Turchiarelli, «wobei eine fünfte Figur ins Spiel kommt, gleichsam das Alter Ego der andern vier.» Es ist «Jemand», gespielt von Ruben ten Cate. Die Figuren «erzählen von ihren Identitätskapriolen, von Angst, Begegnung, Anerkennung und Ablehnung. Sie sehen dem Bösen in die Augen, träumen von Liebe und Selbstverwirklichung», so lässt sich im Text des Flyers lesen.

Theaterspiel als Selbstfindung

Weshalb sollen Jugendliche Theater spielen? Diese Frage beantwortet Turchiarelli ohne zu zögern: «Um sich selbst zu finden. Jugendliche können im Spiel etwas in einem geschützten Raum ausprobieren. Ich sage immer: Hör auf zu denken und zu werten!» Im Spiel liessen sich Fesseln der Gesellschaft sprengen. «Jugendliche sind heute stark eingeschränkt», erklärt der Theaterpädagoge, «zu oft wird ihnen gesagt, dass sie etwas nicht können oder dürfen.» Neben Ruben ten Cate, der auch singt, spielen Rebecca Stocker, Davide Fresta, Nick Huber und Mike Ritter.

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