Elektronische Helfer: So wird die Natur überwacht

Forschende schaffen mit elektronischen Sensoren neue Einblicke in die verborgene Vielfalt der Reinacher Heide, des Dreispitzareals und der Merian Gärten.

Digitale Hilfe: Mit Sensoren beobachten Forschende der Hochschule für Gestaltung und der Fachhochschule Nordwestschweiz biologischen Aktivitäten. Foto: zvg

Die Natur hat ihren eigenen Fahrplan, der oft von jenem der menschlichen Aktivitäten abweicht. Wer die Natur und die Biodiversität untersucht, verpasst deshalb oftmals wichtige Ereignisse. Forscherinnen und Forscher der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) beobachten, belauschen und zählen seit vier Jahren Tiere, Pflanzen und Menschen in der Reinacher Heide, auf dem Dreispitzareal und in den Merian Gärten. Sie tun dies nicht durch Beobachtungen mit den eigenen Augen, sondern elektronisch mit Mikrofonen, Kameras und Sensoren, die anonym die Smartphones von Passantinnen und Passanten registrieren und so Personen zählen.

Die Studie «Mitwelten» endet Anfang 2025. Die Leitung des Projekts haben Forschende der Hochschule für Gestaltung und Kunst (HGK). In enger Zusammenarbeit mit der Hochschule für ­Technik der FHNW hat das Team eine Verarbeitungskette zum Sammeln, Übermitteln, Auswerten, Darstellen und Vermitteln von Wissen über die Natur in Stadtnähe entwickelt. Dafür wurde auch künstliche Intelligenz genutzt. Diese kann zum Beispiel über eine bestimmte Zeitspanne hinweg darstellen, wo und wann welcher Vogel gesungen hat. Unter anderem wurde festgestellt, dass in den kleinräumigen Merian Gärten, die von Menschen stark frequentiert sind, viele verschiedene Vogelarten gezählt wurden.

App für die Reinacher Heide

Teil des Teams waren auch Biologinnen und Biologen. Die interdisziplinäre Zusammenarbeit habe zusätzliche Möglichkeiten der Forschung eröffnet, erklärt Projektleiter Jan Torpus. Dass ein Forschungsprojekt zum Thema Natur und Umwelt von der HGK geleitet wird, tönt auf den ersten Blick ungewöhnlich. Torpus erklärt: «Neben der Erfassung ging es uns auch um die Vermittlung und die Aufbereitung der Daten, damit sie auch von thematischen Laien verstanden werden können.» In der Kunst- und Designforschung sei man etwas freier als in anderen Disziplinen und könne während des Forschungsprozesses auch unerwartet gefundene Lösungsansätze aufnehmen und weiterverfolgen, beschreibt Torpus.

Für die Reinacher Heide wurde eine App programmiert, mit der man einen medial erweiterten Spaziergang machen kann. Sie informiert über die unterschiedlichen Tiere und Pflanzen und deren Habitate. Die Bevölkerung wird auch aufgefordert zu partizipieren, indem sie eigene Fotos von Beobachtungen hochlädt.

Mit der Reinacher Heide, dem Dreispitzareal und den Merian Gärten wurden für die Studie bewusst drei unterschiedliche Situationen erforscht. Projektleiter Torpus ist überzeugt, dass auch auf einem stark versiegelten Areal wie dem Dreispitz etwas für die Biodiversität getan werden kann. «Wir haben auf dem Dreispitz eine vielfältige Pflanzenkultur festgestellt.» Wichtig sei, dass zwischen den Naturflächen und Biotopen – Torpus nennt als Beispiele das Bruderholz und die Merian Gärten – Verbindungsachsen eingerichtet werden.

Unterschiedliche Ideen und Vorschläge

Mit ihrem Wissen und ihrer Kreativität könnten die Mitarbeitenden der HGK hierfür eigene Beiträge leisten. Als Beispiel nennt Torpus mobile kombinierbare Beete, Nistkästen oder Wasserstellen, die an den seriell vorkommenden Strassenlaternen angebracht werden können, um Fluginsekten und Vögel zu fördern, aber auch Pflanzensamen aufzufangen. In solchen Bereichen wirke die interdisziplinäre Herangehensweise, weil Ideen und Vorschläge teilweise komplett unterschiedlich seien.

Von den Resultaten der Studie können die Kommission und die Ranger der Reinacher Heide profitieren. Sie haben nun exakte Daten, wo sich wann wie viele Menschen aufhalten. Objektiviert wurde zum Beispiel, dass deutlich mehr Menschen beim neu eingerichteten Erlebnisweiher baden, wo es auch erlaubt ist, als in der Birs beim Heide­brüggli, wo die Natur Vorrang hat. Ist eine Steuerung der Menschenströme nötig, könnten die Daten der Studie als Hilfsmittel genommen werden, erklärt Torpus.

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