Reinach hatte Lösungsmittel eigentlich verboten
Bessere Filter reduzieren schädliche Stoffe in den Primar- und Sek-Provisorien Reinachs. Ein Bericht zeigt aber, dass einige Bereiche immer noch stark mit Lösemitteln belastet sind.
Als «Stinkschule» bezeichnet zu werden, ist gewiss nicht schön. Die Probleme, welche Reinach mit dem Schulhausprovisorium der Primar Surmatten hat, gehen aber weit über eine reine Geruchsbelästigung hinaus. Beim Bau der 180 Container im Frühjahr wurden aus Lösungsmitteln stammende leichtflüchtige Stoffe in einer Konzentration freigesetzt, die gesundheitsgefährdend sein kann. Anfang September dann der nächste Schock, als der Kanton Baselland gegenüber der bz bestätigte, dass auch das direkt daneben liegende Provisorium der Sekundarschule Lochacker erhöhte Messwerte aufweist. Die baugleichen Container der beiden Schulen wurden von der Firma Avesco Rent geliefert.
Letzten Donnerstag konnte der Kanton für die Sekundar- und die Gemeinde für die Primarschule nun endlich erste Erfolge vermelden: In Elternbriefen, die der bz vorliegen, sowie in einer Medienmitteilung des Kantons heisst es, dass sämtliche auffälligen Stoffe nun unter einen kritischen Grenzwert gesenkt werden konnten.
Gemeint ist der sogenannte Richtwert II des Deutschen Umweltbundesamts (UBA). Dieses hält dazu fest: «Beim Überschreiten dieser Konzentration sind Schäden für die menschliche Gesundheit mit hinreichender Wahrscheinlichkeit anzunehmen.» Erreicht wurde die Verbesserung dank leistungsstärkerer Luftreinigungsgeräte mit optimierten Aktivkohlefiltern. Die Gemeinde hat nach einer Testphase nun 34 Geräte bestellt, von denen die ersten 20 bereits letzte Woche geliefert und in den am stärksten belasteten Räumen in Betrieb genommen wurden.
Verdächtige Stellen lokalisiert
Tatsache ist allerdings auch, dass sowohl im Surmatten wie im Lochacker einzelne Stoffe den tieferen UBA-Richtwert I teilweise noch immer überschreiten. Im Lochacker sind dies Xylole, C7-C8 Alkybenzole, Ethylbenzol, Acetaldehyd sowie C4-C11 Aldehyde. Laut UBA ist beim Richtwert I zwar «auch bei lebenslanger Exposition keine gesundheitliche Beeinträchtigung zu erwarten». Die Baselbieter Bau- und Umweltschutzdirektion (BUD) schreibt in ihrem Lehrer- und Elternbrief aber: «Das sensorische Empfinden ist bei jedem Menschen individuell. Bei Beschwerden bitten wir Sie, diese mit dem zuständigen Arzt zu besprechen und bei Bedarf mit uns Kontakt aufzunehmen.» Seit Montag stellt die Gemeinde Reinach auf Anfrage den Zwischenbericht der Experten von Carbotech zur Verfügung. Dieser hält fest, dass «es lokale Bereiche gibt, die noch stark mit Lösemittel belastet sind».
Erste verdächtige Stellen seien lokalisiert und die beim Bau eingesetzten Produkte mit potenziell kritischen Inhaltsstoffen identifiziert worden. Überrascht wurden die Experten vom Fund eines neuen Stoffes: Dimethoxymethan. Er wird laut Frédéric Haller, Reinachs Leiter Städtebau, auf dem Markt erst seit kurzem verwendet, und es gebe keine Grenzwerte.
«Produkte sind zertifiziert»
Nun sagt ein betroffener Vater zur bz: «Es ist ein Schritt in die richtige Richtung. Doch was ich verbindlich von Gemeinde und Kanton hören will, ist, dass sie sich stark dafür einsetzen, dass es bei den Neubauten, die auf die Provisorien folgen, keine solchen Gefährdungen mehr gibt. Oder ist das zu viel verlangt? Schliesslich geht es um unsere Kinder.»
Versprechen können und wollen dies die Behörden noch nicht. BUD-Sprecherin Andrea Bürki erklärt: «Es ist schwierig, etwas auszuschliessen, wenn man die Quelle der Probleme noch nicht kennt.» Tatsächlich tappen Kanton, Gemeinde, aber auch die Lieferantin Avesco Rent noch immer im Dunkeln. Im Primar-Elternbrief steht, dass die Stoffe in einer Vielzahl von eingesetzten Materialien und Produkten vorkommen. Avesco Rent hält aber auf Anfrage fest: «Die Analyse der eingesetzten Produkte ist abgeschlossen. Alle verwendeten Produkte sind zertifiziert und für den Einsatz im temporären Schulhausbau zugelassen.»
«Nicht zulässig»
Dass überhaupt Lösungsmittel beim Bau des Schulprovisoriums freigesetzt wurden, stösst der Gemeinde sauer auf. Wie Haller der bz offenlegt, hatte er bei der Ausschreibung extra den Passus «Schadstoffe/Nachhaltigkeit» eingefügt. Darin steht unter anderem: «Einer schadstofffreien Raumluft wird grosse Bedeutung zugemessen. Holzwerkstoffe und weitere Hilfsstoffe sind in formaldehydfreier Qualität einzusetzen. Lösungsmittelhaltige Stoffe sind nicht zulässig.» Haller ergänzt: «Man bekommt leider nicht immer, was man bestellt, doch immerhin ist damit klar, dass wir Anrecht auf einen schadstofffreien Bau haben.»
Weitere Abklärungen im Werk mit einer Fachfirma seien im Gang. Avesco Rent, Kanton und Gemeinde geben sich überzeugt, dass sich die Messwerte weiter rasch verbessern werden. Bis dahin gibt die Firma den Tipp, dass eine Durchlüftung der Zimmer in allen Pausen die beste zusätzliche Massnahme sei.