Mobilität: Reinach setzt auf Tram statt Strasse
Die Umfahrung Reinach fehlt in der Mobilitätsstrategie der Region. Beim Kanton ist das Projekt noch nicht tot.
Die Aufregung war in Umweltschutzkreisen gross: Die Baselbieter Regierung hatte 2018 im kantonalen Richtplan eine Teilumfahrung von Reinach eingetragen. Die Strasse sollte von der Birsigtalstrasse abzweigen, Richtung Südwesten führen und südlich des Reinacher Siedlungsgebiets auf die Hauptstrasse gelangen. Damit sollte der Reinacher Ortskern entlastet werden, so die Idee. Der Haken: Die Umfahrung würde durch die ökologisch wertvolle Ebene zwischen Reinach und Aesch führen. Da überrascht es nicht, ist die Strasse für viele ein No-Go.
Im vergangenen Dezember haben die Birsstadtgemeinden, also auch Reinach, ihr Mobilitätskonzept in die Vernehmlassung gegeben. Was im fast 100-seitigen Dokument auffällt: Die Südumfahrung kommt nirgends vor. Dabei sind dort, neben vielen Massnahmen für den öffentlichen Verkehr und bessere Velo- und Fussgängerverbindungen, auch einige Optimierungen des motorisierten Verkehrs aufgeführt. «Wir gehen davon aus, dass die Umfahrung bis 2040 kein Thema ist», sagt Melchior Buchs, Gemeindepräsident Reinachs und in der Birsstadt für die Raumplanung zuständig.
Dabei hatte er sich noch vor wenigen Jahren dafür ausgesprochen, das Trassee als Option offen zu halten. Die Überlegung war damals: Mit der Strasse sei das Reinacher Ortszentrum weniger verstopft, sodass der öffentliche Verkehr besser durchkommt.
Strassenkapazität würde nicht verkleinert
Doch das ist aus Sicht der Birsstadt überholt, und zwar wegen eines noch nicht existierenden Trams. Schon lange angedacht ist nämlich eine Tram-Querverbindung durch die Birsstadt, von Dornach durch den Reinacher Ortskern nach Therwil. Für solche Tangentialstrecken wird derzeit überdurchschnittlich oft das Auto genommen.
Für das Tram ist derzeit beim Kanton eine Machbarkeitsstudie in Erarbeitung. «Erste Erkenntnisse zeigen, dass das Tram auf den bestehenden Achsen möglich ist, ohne Umfahrung und ohne dem Individualverkehr Kapazitäten wegzunehmen», so Buchs. «Diese Erkenntnis hatten wir damals nicht.»
Gleichzeitig ist man in der Birsstadt zur Erkenntnis gekommen, dass man den motorisierten Verkehr trotz des Bevölkerungswachstums ungefähr gleich hoch behalten könne, dank zahlreicher Massnahmen. Neben dem Tangentialtram setzt man vor allem auf E-Bikes. «Wir haben festgestellt, dass sich unsere Region dank der kurzen Distanzen ideal eignet fürs E-Bike», sagt Buchs. Er ist zudem überzeugt, dass ein ökologisches Umdenken in der Bevölkerung begonnen hat, sodass vermehrt freiwillig aufs Auto verzichtet wird.
Machbarkeitsstudie wird abgewartet
Die Birsstadt sendet also mit ihrem Mobilitätskonzept das Signal nach Liestal, dass die Umfahrung auf absehbare Zeit nicht nötig ist. Gleichzeitig ist sie beim Kanton nicht endgültig gestorben. Der Landrat hatte die Strasse zwar 2020 aus dem Richtplan gestrichen, die Linke feierte dies als Sieg.
Wie die Baselbieter Bau- und Umweltschutzdirektion (BUD) auf Anfrage schreibt, sind im Investitionsprogramm 2023–2032 für die Ausarbeitung einer Vorstudie Finanzen eingestellt, auch wenn das Projekt aktuell nicht weiter verfolgt werde. Um zu wissen, ob es endgültig aus der Projektliste gestrichen wird, wartet die BUD die Ergebnisse der oben genannten Machbarkeitsstudie fürs Tram ab.
Was die Birsstadt aber auch bewogen hat, zumindest vorläufig ausschliesslich aufs Tram zu setzen: Die Strasse wäre für den Kanton sehr teuer, weil sie wohl aus Gründen des Landschaftsschutzes grösstenteils unterirdisch verlaufen müsste. Buchs meint: «Wir müssen realistisch bleiben. Beides, das Tram und die Strasse, kann nicht im gleichen Zeitraum realisiert werden.»