Kirche online – eine Chance dank Krise?
Die weltweite Corona-Krise ist auch für die Kirchen eine Herausforderung. Sie müssen angesichts der Situation innert kürzester Zeit ihre Seelsorge und ihre Verkündigung umstellen. Ein Blick auf die Praxis.
Es finden keine Gottesdienste mehr statt, Religions-, Firm- und Konfirmandenunterricht fallen aus, die Eucharistiefeier ist aus hygienischen Gründen nicht mehr möglich, und die persönliche Seelsorge mit Blickkontakt fällt dahin. Damit ist die Kirche von einer realen zu einer virtuellen
Gemeinschaft geworden.
Pastoralraum Birstal
Nach wie vor steht in Aesch die katholische Kirche weit offen. Dort brennt eine grosse Kerze. Pfarrer Felix Terrier, der auch Leiter des Pastoralraums Birstal und Rector ecclesiae der Klosterkirche Dornach ist, stellt fest, dass sich der individuelle Besuch der Kirche verändert hat. «Es kommen mehr und vor allem andere Leute in die Kirche. Dieser Raum ist ein Ort, wo man für sich selbst neue Orientierung finden kann.» Im Rahmen des Pastoralraums wird jeden Sonntag um 9, 10 und 11 Uhr auf RegioTVplus ein Gottesdienst ausgestrahlt. «Mit einer Fernsehsendung erreichen wir unsere klassische Klientel besser.» Ältere Leute haben weniger Erfahrung mit dem Internet. «Wir haben viele sehr positive Rückmeldungen,
etwa auch aus dem Altersheim, wo der Gottesdienst in lockeren Gruppen angeschaut wird.» Der Seelsorgeverband hat zudem einen Telefonkontaktdienst für Menschen über 65 Jahren organisiert. Es geht um Nachfrage nach Gesundheit, konkreten Bedürfnissen und um die Vernetzung mit anderen Hilfsangeboten. «Wir führen keine therapeutischen Gespräche, aber seelsorgerische», so Terrier. Die Situation sei für alle eine grosse Belastung, insbesondere für jene, die einer Risikogruppe angehörten. Auf der anderen Seite habe die Entschleunigung des Lebens auch ihr Gutes. «Wir müssen uns auf neue Medien einlassen. So gibt es auf der Website www.rkk-angenstein.ch einen Gedanken zum Tag oder die ReliBox. Pfarreiseelsorgerin Eleonora Knöpfel vermittelt im Alterszentrum regelmässige Inputs.» Zusätzlich wurde an junge Familien ein Brief geschickt, wie man sich vor Ostern mit den entsprechenden Inhalten auseinandersetzen kann. Auch die Firmlinge wurden angeschrieben.
Lernphase für die Kirche
Auch in der reformierten Kirche musste man sich umstellen. Am letzten Wochenende kamen Kirchenvertreter mit Max Schwank von RegioTVplus zusammen, um die Sendungen zu koordinieren. Pfarrerin Florence Develey erklärt: «Wir tätigen in Reinach derzeit viele Telefonate und organisieren eigene Einkaufsdienste. Die Konfirmanden erhalten Inhalte über Whatsapp. An Jugendliche werden Texte via Instagram verschickt.» Auch die Gemeindemitglieder in Arlesheim sind froh um die Telefonate der Seelsorgerinnen und Seelsorger. Der Gemeindebrief werde nun zweimal im Monat verschickt, so Pfarrer Thomas Mory, der für die Jugendarbeit zuständig ist. Die Gottesdienste werden schriftlich verschickt oder aufgezeichnet und online gestellt. Laut Mory wurde auch die Homepage umgestaltet; Religionsunterricht wird über die schulischen Kanäle gegeben. Und damit die Jugendlichen einmal Abwechslung vom Bildschirm haben, werden Print-Lehrmittel verschickt. Schliesslich gibt es auf der Website www.ref-kirchearlesheim.ch einen Briefkasten für Fragen und Anliegen.
Neuer Schwung in der Kirche
Auf der Website der Reformierten Kirche in Reinach kann man eine kleine Auswahl an Produktionen ansehen, die zum Nachdenken anregen. Das «Denk-mal» von Benedikt Schölly-
Hofer in Reinach hatte schon 80 Klicks. Die Pfarrerinnen Florence Develey und Gabriella Schneider bevorzugen dabei das Audioformat, unterlegt mit Symbolbildern.
In Arlesheim will man den Testlauf «Online Kirche» erst evaluieren. Macht ein Livestream Sinn? Wäre eine reine Tonspur nicht billiger und effektiver? Mit diesen Überlegungen müssen sich die Kirchen erst seit Kurzem auseinandersetzen. Ob dies auch eine Chance sein kann? Sowohl Florence Develey als auch Thomas Mory sind fest davon überzeugt, dass die Corona-Krise die kirchliche Debatte um die neuen Medien in Schwung gebracht hat. Beide sind jedoch der Überzeugung, dass Internet und Fernsehen den realen Gottesdienst nie ersetzen können.