«Ich wollte raus, Abwechslung, Menschen begegnen, Action!»

Michèle Fioretto behauptet sich seit drei Jahren als Frau in einem Männerberuf. Aktuell steht sie unter den letzten zehn Kandidaten für die Auszeichnung zum Lehrling des Jahres.

Immer gut gelaunt: Michèle Fioretto ist mit Herzblut bei der Arbeit. Foto: Axel Mannigel
Immer gut gelaunt: Michèle Fioretto ist mit Herzblut bei der Arbeit. Foto: Axel Mannigel

Acht Uhr morgens am Wolfmattweg in Arlesheim. Überall ist Baustelle, eine ganze Häuserzeile wird renoviert. Michèle Fioretto arbeitet in Haus Nummer 1. Auf einer Treppe stehend, bringt sie eine Verteilerdose an der Wand an. Die 25-jährige Montageelektrikerin EFZ in Ausbildung ist gut gelaunt und nimmt sich, trotz Fertigungsdruck, ein paar Minuten Zeit fürs Gespräch direkt vor Ort. Wie ist es, als junge Frau in einem Männerberuf zu arbeiten? «Es ist nicht einfach, aber ich konnte mich durchsetzen», erzählt sie. Inzwischen habe sie es auf der Baustelle mit allen sehr gut: «Ich komme hierhin, werde herzlich begrüsst und bekomme Hilfe, wenn ich welche brauche.» Am Anfang, vor zwei Jahren, sei noch eher das Kämpferische im Vordergrund gewesen, inzwischen fühle sie sich wohl. «Man muss den Kontakt aufbauen, dann kommt das schon gut», meint Fioretto schmunzelnd. Ein weiteres hilfreiches Element ist sicher, dass sie in ihrem Traumberuf arbeitet und die Materie ausgezeichnet kennt. «Michèle Fioretto ergänzt unser Team mit ihrer aufgestellten und motivierten Art sehr gut», begeistert sich Adrian Oberli, Inhaber der Elektro Brodbeck AG in Reinach.

Unter Strom

Nach der Schule sah nichts danach aus, dass Fioretto einmal eine Männerdomäne erobern würde. Sie begann eine Lehre als Bäckerin. «Ich merkte jedoch bald, dass ich nicht die geborene Bäckerin bin. Ich wollte raus, Abwechslung, Menschen begegnen, Action!» Sie träumte vom Polizeidienst, landete als Zwischenlösung bei der Securitas. Aber auch das war noch nicht endgültig, und Fioretto machte sich auf die Suche, schnupperte hier und dort. Am ersten Schnuppertag bei Elektro Brodbeck bekam sie die Lehrstelle, als erste Lehrtochter des Betriebs überhaupt. «Wir haben Michèle Fioretto als sehr engagierte und interessierte Person kennen gelernt, die exzellente schulische und berufliche Leistungen vorweisen konnte», sagt Adrian Oberli. Leider, so Oberli, habe der Betrieb bisher wenige bis keine Frauen für den Beruf begeistern können. Anders Fioretto, die von sich selbst sagt, sie stehe immer wieder «unter Strom». Eine der wichtigsten Zutaten für ihren Erfolg sieht die junge Frau in ihrer Motivation: «Klar, gibt es mal schlechte Tage, aber ich bin immer motiviert und mit einem Lächeln bei der Arbeit.»

Punkte durch Online-Voting

Fiorettos positive Haltung und ihr Engagement bewegten Elektro-Brodbeck-Berufsbildner Dominik Schober, sie beim Wettbewerb «Lehrling des Jahres 2021» anzumelden. Inzwischen ist sie unter den letzten zehn Kandidatinnen und Kandidaten, diese Woche findet das Online-Voting statt und am 23. November die Preisverleihung. Initiiert vom Gewerbeverband Basel-Stadt, dem Migros-Kulturproduzent und der «Basler Zeitung», startete der Wettbewerb 2009, um die berufliche Grundbildung in der Region bekannt zu machen. Michèle Fioretto bleibt auf dem Boden: «Mir reicht, wenn ich jetzt unter den zehn Finalisten bin.» Am 20. Oktober fand ein Contest-Tag mit diversen Posten statt, an dem pro Posten Punkte fürs Endergebnis gesammelt werden konnten. Das Online-Voting ist der achte Posten, der wichtige Punkte bringt, der letzte findet live an der Preisverleihung statt. Das Preisgeld könnte Fioretto für ihre Zukunft gut gebrauchen. Erst mal, das sagt sie voller Überzeugung, bleibt sie bei Elektro Brodbeck. Später jedoch kann sie sich auch eine eigene Firma mit engagierten Lehrtöchtern vorstellen, «eine richtige Frauenbude», lacht Fioretto. www.lehrlingdesjahres.ch

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