«Ich liebe diesen Ort mit dörflichem Charme und städtischem Charakter»
Seit dem 29. Juni ist Christine Dollinger neue Einwohnerratspräsidentin. Im Interview erzählt sie von Politik, von Bildung und von ihrer Verbundenheit mit Reinach.
Axel Mannigel
Wochenblatt: Frau Dollinger, Sie sind mit 33 von 34 Stimmen zur neuen Einwohnerratspräsidentin gewählt worden. Wie bewerten Sie selbst dieses Ergebnis?
Dollinger: Es ist überwältigend, derart partei- und fraktionsübergreifend von allen gewählt zu werden – denn die eine fehlende Stimme ist ja meine eigene. Ich empfinde das als grossen Vertrauensbeweis. Dass auch meine Vizepräsidentin Ines Zuccolin mit demselben Ergebnis gewählt wurde, freut mich sehr.
Sie sind bereits seit 2004 im Einwohnerrat. War es Ihr Wunsch, nach all den Jahren nun dessen Präsidentin zu werden?
Dollinger: Das Einwohnerratspräsidium war kein ausgemachtes Ziel, denn ich liebe es zu politisieren. Die Präsidentschaft hat aber eine andere Funktion. Zwar ist das wohl nirgendwo reglementarisch festgelegt, aber es ist nicht üblich, dass man auf dem Podium das Wort ergreift. Ausser eben, um die Sitzung zu leiten und für Mitteilungen. Als Präsidentin der Kommission für Bildung, Soziales und Gesundheit (BSG), die ich weiterhin bleibe, wird mir das nicht nur leichtfallen: Schulraumkonzept, Subjekt-Objekt-Finanzierung, familienergänzende Kinderbetreuung, Schulsozialarbeit auf Primarstufe – das sind alles Themen, zu denen ich eine Meinung habe, die ich auch gerne im Rat vertreten würde. Dennoch freue ich mich sehr auf das kommende Jahr und bin mit ganzem Herzen dabei.
Welche Pläne und Visionen, haben Sie als Einwohnerratspräsidentin 2015/ 16?
Dollinger: Zuallererst bin ich eine Integrationsfigur. Ich werde an Festen und Anlässen teilnehmen, dort den Rat repräsentieren und seine Grüsse überbringen. Ich vertrete dann keine Partei, sondern den Rat als Gesamtorgan, die Legislative der Stadt. In dieser Funktion möchte ich integrierend wirken. Die fraktions- und parteiübergreifende Zusammenarbeit und diejenige mit dem Gemeinderat ist mir auch im Einwohnerrat ein grosses Anliegen. Mit dem Präsidium erweitert sich das nun, weil ich noch mehr mit der Bevölkerung und den Vereinen in Kontakt komme.
Als Einwohnerratspräsidentin sind Sie für ein Jahr höchste Reinacherin. Wie sieht Ihre Verbundenheit mit der Stadt vor der Stadt aus?
Dollinger: Ich habe das Gefühl, dass ich hier angekommen bin. In meiner Jugend und auch Karriere war ich viel unterwegs. Ich bin in Basel aufgewachsen, habe in Genf studiert und war semesterweise in England und Frankreich. Später habe ich zeitweise in Pakistan, Bolivien und Italien gelebt und gearbeitet. Aber hier in Reinach habe ich seit 2002 Wurzeln geschlagen. Ich bin auch Reinacher Bürgerin und stolz darauf, denn ich liebe diesen Ort mit seinem dörflichen Charme und dem städtischen Charakter. Wenn ich von der Arbeit in Basel über den Therwiler Hügel komme, sehe ich das Dorf daliegen und weiss, hier ist mein Zuhause, hier sind meine Kinder aufgewachsen, hier kenne ich mich aus wie nirgendwo sonst.
Im Einwohnerrat sind Sie für die SP im Einsatz. Warum haben Sie sich für diese Partei entschieden?
Dollinger: Ich war noch nicht lange in Reinach, als mich eine Freundin anfragte, ob ich auf der SP-Liste kandidieren würde. Die ersten paar Jahre war ich parteilos im Einwohnerrat, denn ich wollte meine eigene Meinung vertreten. Doch die SP hat gepasst! Ich habe mich schon immer engagiert, draussen in der Welt und hier vor Ort, denn soziales Engagement ist mir wichtig. Eine Gesellschaft funktioniert nur, wenn es dem schwächsten Glied der Gesellschaft gut geht, und diesen Solidaritätsgedanken vertritt die SP für mich am besten.
Auch wenn Sie sich als Präsidentin momentan zurücknehmen müssen, welche politischen Themen beschäftigen Sie aktuell?
Dollinger: Meine Themen ergeben sich aus meiner Kommission: Bildung, Soziales, Gesundheit. Nach den Sommerferien wird ja HarmoS auf der Primarstufe eingeführt, das ist ein grosser Schritt. Ein Jahr länger Primarschule, mehr Schulraum und zum Teil neue Lehrmittel stellen eine grosse Herausforderung dar. Ich persönlich habe vor ein paar Jahren den Beruf gewechselt und mich zur Sekundarlehrerin für Deutsch, Englisch und Französisch ausgebildet. Nach vielen Jahren in der Privatwirtschaft wollte ich mich neu orientieren, zurück zu den sozialen Wurzeln und in einem Beruf arbeiten, der in der Gesellschaft etwas bewirkt. Durch meine Herkunft – ich stamme aus einem Lehrerhaushalt –, das Studium, die Lehrtätigkeit sowie meine Tätigkeit als Präsidentin der BSG kann ich mich inzwischen als ziemlich komplette Bildungspolitikerin bezeichnen.
Neben Politik und Unterricht – was macht Christine Dollinger privat?
Dollinger: Meine Familie ist mir sehr wichtig. Ohne diese Konstante geht es nicht. Ich nehme ja immer gerne Herausforderungen an und meine Familie gibt mir die Basis, diese zu meistern. Mein Mann, meine Kinder und das Haus hier mitten in Reinach – das ist der Ort, an dem ich mich entspannen kann. Wenn es die Zeit zulässt, treibe ich mehrmals in der Woche Sport, jogge, reite und mache Yoga und Pilates. Ich bin sehr gern in der Natur, wandere gerne, liebe aber auch Kunst und Kultur, gehe ins Theater und in Museen, zu Ausstellungen und Konzerten. Last but not least ist auch ein gutes Fest etwas, bei dem ich mich richtig erholen kann, denn ich bin gerne mit Menschen zusammen und liebe es zu diskutieren.