«Es ist ein Gefühl der Ohnmacht»

Die Corona-Krise hat viele kleine und mittlere Betriebe in der Region in Not gebracht. Das Wochenblatt hat sich bei Vertretern des Gewerbes umgehört.

Geschlossen: Dieses Schuhgeschäft in Arlesheim bringt mit einen fasnächtlichen Vers etwas Humor in den Ernst der Lage. Foto: Caspar Reimer
Geschlossen: Dieses Schuhgeschäft in Arlesheim bringt mit einen fasnächtlichen Vers etwas Humor in den Ernst der Lage. Foto: Caspar Reimer

Die Pandemie hat den Alltag in der Region erreicht und ihn entscheidend verändert. Für das lokale Gewerbe etwa sind die Verordnungen des Bundesrates im Rahmen der Corona-Krise ein schwerer Schlag. Emanuel Buchmann, Geschäftsleiter der Konditorei Buchmann, die Filialen in Arlesheim, Münchenstein und Reinach betreibt, äussert sich gegenüber dem Wochenblatt: «Wir mussten unsere Cafés schliessen und verlieren so auf einen Schlag die Hälfte des Umsatzes. 15 Mitarbeiter stehen unter Kurzarbeit. Mit den anderen 35 Mitarbeitern produzieren wir weiterhin unsere Backwaren.» Zudem würde auch die Kundschaft anders einkaufen als zuvor: «Es sind vor allen die Grundnahrungsmittel in Brotform gewünscht. Alle anderen Produkte, die sonst sehr gut laufen, bleiben liegen. Der Take-away-Bereich hat stark abgenommen.» Da niemand wisse, «wie lange es geht, bis die Arbeitslosenkasse bereit ist, um Geld für Kurzarbeit an die Firmen zu überweisen, braucht es Überbrückungsdarlehen der Banken. Wir werden auch auf Mietzinsreduktionen für die Filialen hoffen.» Die Konditorei hat mittlerweile einen Heimlieferdienst aufgebaut.

Die Gewerbevereine in den Gemeinden wissen um die Sorgen Betriebe. Gerda Massüger von KMU Reinach sagt gegenüber dem Wochenblatt: «Den Betrieb einstellen zu müssen – und zwar so kurzfristig — ist an sich schon hart. Was in der jetzigen Situation noch dazukommt, ist die Unsicherheit.» Es sei schwierig, längerfristig zu planen. Viele hätten Angst um ihre Existenz.


Es betrifft alle
Direkt von der verordneten Schliessung betroffen sind unzählige Läden, Restaurants, Coiffeurs, Fitnesscenter und viele andere mehr. Auch wenn etwa Handwerksbetriebe nicht schliessen müssen, macht das Virus auch bei ihnen nicht Halt: «Ich weiss von einem Handwerker, der bereits Aufträge verloren hat, weil Private nicht wollten, dass er jetzt in ihre eigene Wohnung kommt. Es betrifft also alle», erzählt Massüger. Doch Not macht erfinderisch: Viele Betriebe bieten ihre Dienstleistungen oder Waren über Social-Media-Kanäle wie etwa Facebook oder ihre eigenen Websites an. «Ganz nach dem Motto: Wir sind weiterhin für Sie da.»
Veronique Perks ist Inhaberin des Nähateliers Nique, das in Arlesheim und in Reinach mit einer Filiale präsent ist. In diesen Wochen hätte – passend zur Jahreszeit – etwa das Geschäft mit Brautkleidern anziehen sollen, doch die Krise macht ihr einen Strich durch die Rechnung: «Es ist ein Gefühl der Ohnmacht», sagt sie im Telefoninterview mit dem Wochenblatt. «Wir haben für Brautkleider schon viele Absagen erhalten. Auch die täglichen Reparaturen und Änderungen bleiben aus.» In ihrem Atelier beschäftigt Perks fünf Mitarbeitende und zwei Lernende: «Wir finanzieren die Löhne hauptsächlich durch den Verkauf und Neuanfertigungen. Wir hatten bis ende letzter Woche im Hintergrund noch gearbeitet und die letzten Aufträge erledigt. Am vergangenen Samstag mussten wir dann leider alle Mitarbeiterinnen nach Hause schicken.» Perks hat Unterstützung bei Bund und Kanton beantragt, um den Betrieb auch nach 32 Jahren weiter führen zu können. Bis wieder Normalbetrieb herrscht, können Änderungsaufträge telefonisch angenommen werden — inklusive Hol- und Bringservice.


Hilfsprojekt in Aesch
In Aesch sind über 60 Läden, Restaurants und Geschäfte mit Publikumsverkehr betroffen. «Viele sagen, es geht ihnen äusserst schlecht», sagt Claudia Schreiber vom Verein Gewerbe und Industrie Aesch. Aber alle versuchten, mit innovativen und kreativen Mitteln, das Beste aus der Situation zu machen: «Immerhin hat der Bundesrat die Problematik von uns Selbstständigen und der Mitarbeit von Familienmitgliedern erkannt und einen Schritt in die richtige Richtung getan.» Auch in Aesch ist man angesichts der schwierigen Lage nicht untätig geblieben: «Wir arbeiten gerade mit Hochdruck an einem konkreten Hilfsprojekt für unsere von der Corona-Krise betroffenen Betriebe.» Es würde eine Möglichkeit bieten, wie die «Bevölkerung dem gebeutelten Gewerbe unter die Arme greifen kann». Nähere Infos dazu würden in Kürze folgen.

Der Arlesheimer Gewerbe- und Industrieverein AGIV hat auf seiner Website eine Liste hochgeladen, auf welcher die Betriebe ihre reduzierten oder speziellen Angebote während der Corona-Zeit angeben können: «Die Sorgen der KMU sind sehr gross. Wir als Gewerbeverein müssen diese Sorgen ernst nehmen», so AGIV-Präsident Philipp Hägeli. Je weniger lang die Krise daure, desto schneller könne sich das Gewerbe erholen. Über die versprochenen Hilfen des Bundes sagt Hägeli: «Noch ist es zu früh, um zu sagen, wie gut und unbürokratisch die Hilfe ankommt.»

«Es ist wie ein schlechter Traum», sagt Geschäftsleiter von Jenzer Fleisch + Feinkost, Christoph Jenzer. Die Hälfte seiner Fleischwaren setzt das Unternehmen mit Belieferungen an Restaurants ab, diese sind bis mindestens am 19. April geschlossen und daher der Umsatz weggebrochen. Ein spezifisches Problem des Goldwurscht-Traditionsunternehmens: «Unsere Waren haben eine Haltbarkeit von einem Tag bis drei Wochen.» Immerhin laufe der Verkauf in den drei Fachgeschäften gut, wobei sich jeweils nur sieben Kundinnen und Kunden zeitgleich im Laden aufhalten dürfen. «Das Ganze ist eine Herausforderung. Man muss die Firma bezüglich Abläufen und Manpower ganz neu aufstellen.» Kurzfristig wurde ein Hauslieferdienst für die ganze Region aufgebaut.

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