Den vergessenen Helfern eine Stimme gegeben

Am Donnerstagabend las die Autorin Eveline Hasler in der Gemeindebibliothek aus ihrem neuen Werk «Mit dem letzten Schiff: Der gefährliche Auftrag des Varian Fry».

Bekannt für dokumentarische Romane: Eveline Hasler beim Signieren nach der Lesung.  Foto: Isabelle Hitz
Bekannt für dokumentarische Romane: Eveline Hasler beim Signieren nach der Lesung. Foto: Isabelle Hitz

An einem regnerischen Ferientag durchstreifte Eveline Hasler, Grande Dame des historischen Romans, das Archiv von Sanary-sur-Mer und stolperte dabei immer wieder über einen ihr bis dahin unbekannten Namen: Varian Fry. «Er blieb irgendwie an mir hängen», und so nahm sie sich des in Vergessenheit geratenen Helfers an. Es entstand ein mitreissender historischer Roman über den im Sommer 1940 von dem privaten amerikanischen Emergency Rescue Committee nach Marseille geschickten jungen Amerikaner, der geschätzten zweitausend im Vichy-Frankreich festsitzenden Menschen zur Flucht verholfen hat, darunter vielen Juden, Schriftstellern, Künstlern und antifaschistischen Intellektuellen. So verdanken unter anderem Heinrich und Golo Mann, Franz Werfel, Alma Mahler-Werfel oder Marc Chagall Fry ihr Leben.
Am 16. August 1940 traf Fry mit einer Liste von 200 Namen und 3000 Dollar in Marseille ein, wo sich immer mehr Flüchtlinge einfanden in der Hoffnung, per Schiff aus dem sich zur Auslieferung verpflichteten Frankreich entkommen zu können. Aber das Meer ist vermint und der Schiffsverkehr eingestellt. Auch die Flucht mit der Eisenbahn durch Spanien an den Atlantik ist keine Alternative, da an den Grenzen strenge Kontrollen durchgeführt werden. Fry und sein Team müssen ihre Schützlinge also in anstrengenden, gefährlichen Fussmärschen durch die Pyrenäen nach Portugal schmuggeln, von wo aus sie in die USA ausreisen können. Obwohl Fry weit mehr getan hatte, als von ihm verlangt worden war, wurde seine Leistung in den USA erst nach seinem Tod im Jahre 1967 gewürdigt. In ihrem packenden Bericht verleiht Hasler aber auch «kleineren» Helfern eine Stimme und schildert z. B. eine Szene, in der die Heimleiterin Rösli Fäh aus Glarus ihre Schützlinge aus dem Kinderheim «La Hille» vor der Deportation rettet.


Betroffenheit und Schmunzeln


Haslers Lesung machte betroffen, schaffte es aber durch humorvolle Passagen auch, das eine oder andere Schmunzeln hervorzulocken, z. B. als Alma Mahler sich in Riemchensandaletten und mit zwölf Koffern beladen dem Marsch durch die Pyrenäen zu widersetzen versucht. Speziell bei der Arbeit an «Mit dem letzten Schiff» ist Eveline Hasler der grosse Wunsch, einen Augenzeugen zu finden, durch Zufall erfüllt worden: In der Person von Justus Rosenfeld, dem damals fünfzehnjährigen jüdischen Laufburschen Varian Frys und heute hochbetagten Professor am renommierten New Yorker Brad College, hat sie eine hervorragende Informationsquelle aufgetan.


Ausgrenzung und Anderssein

Die 1933 in Glarus geborene Eveline Hasler hat sich nach dem Studium der Psychologie und Geschichte zuerst mit Kinderbüchern, in den letzten dreissig Jahren vor allem mit ihren dokumentarischen Romanen einen Namen gemacht. Stets verstand es die mit zahlreichen Preisen ausgezeichnete Autorin, Fiktion und Geschichte gekonnt zu verbinden. Bereits in «Anna Göldin, letzte Hexe» geht es um Ausgrenzung und Anderssein, und dieser Thematik ist die Schriftstellerin in allen ihren Werken treu geblieben. Denn die bewusst oder unbewusst von der gesellschaftlichen Norm abweichenden, zu Unrecht Verurteilten und Verkannten möchte Hasler in ihren Romanen rehabilitieren und würdigen.

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