«Das ist unsere DNA»: Reinacher Lebensgeschichten vor der Kamera
In «Blickpunkt Reinach» stellen Barbara Preusler und Aernschd Born Menschen in den Mittelpunkt, die nicht im Scheinwerferlicht stehen. Das Duo sucht dazu interessierte Reinacher.
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«Viele kleine Leute, die an vielen kleinen Orten viele kleine Dinge tun, können das Gesicht der Welt verändern.» Diese wohl aus Afrika stammende Weisheit passt, überträgt man sie auf Reinach, zum neusten Projekt, dem sich das Kulturduo Barbara Preusler und Aernschd Born verschrieben hat: Unter dem Titel «Blickpunkt Reinach» zeigen die beiden Interviews mit Menschen, die in Reinach leben, wohnen oder arbeiten. Sie rücken Leute, die den Ort ausmachen, ihm Farbe und Charakter verleihen, ins Scheinwerferlicht, oder genauer: vor die Kamera.
Bereits 17 Videos sind veröffentlicht – bis jetzt wurden 27 Gespräche geführt. Dabei ist es einerseits erstaunlich, wie offen die Interviewten von Höhen und Tiefen ihres Lebens erzählen, andererseits bemerkenswert, mit wie viel Geduld und Taktgefühl die Gesprächsführung gestaltet ist. Das Kulturduo sucht nach weiteren Menschen aus Reinach, die gerne vor der Kamera über ihr Leben berichten. Wie viele Videos es werden sollen? «Nun, wir haben 20 000 Einwohner», sagt Barbara Preusler lachend. Tatsächlich ist die Anzahl Filme offen: «Wir machen das Projekt nicht als Auftrag, sondern aus uns selbst heraus.»
Weil Preusler und Born mit den Folgen einer Coronaerkrankung zu kämpfen hatten, konnten sie als engagierte Reinacher Künstler keinen Beitrag zum Jubiläumsjahr 2024 leisten. «Als wir wieder krabbeln konnten, dachten wir: Es gibt ja noch ein Jahr danach», erzählt Preusler. Sie stellten sich die Frage, was Reinach eigentlich ausmache, und kamen auf die Antwort: «Es sind all die Menschen, die hier wohnen, aber nicht im Scheinwerferlicht stehen.»
Die Idee ist verwandt mit jener vom «Gipfeltreffen», jenem erfolgreichen Kulturanlass, den die beiden ab 2019 bis zur Pandemie in Dornach durchgeführt hatten. Nun handelt es sich bei «Blickpunkt Reinach» nicht um einen öffentlichen Talk, sondern um ausgestaltete, teilweise mit alten Fotografien versehene Videos, die ins Netz gestellt werden.
Wertschätzende Gespräche
Wie sie vorgehen? «Ich recherchiere, versuche, mit Reinacherinnen und Reinachern in Kontakt zu kommen», erzählt sie, und er fügt hinzu: «Viele Leute wissen gar nicht, wie interessant es ist, was sie zu erzählen haben.» Wichtig sei, dass es dabei um Persönliches gehe, denn: «Es geht nicht darum, Werbung für ein Geschäft oder einen Verein zu machen», sagt Born. Bevor das Video gedreht wird, findet ein telefonisches Gespräch statt. Da Aernschd Born wegen einer Long-Covid-Erkrankung immer noch geschwächt ist, macht er die Büroarbeit, schneidet und gestaltet die Filme aus, während sie mit ihrem Dreirad – beladen mit zwei Kameras und anderem Equipment – zu den Interviews fährt. «Die Gespräche sind nicht konfrontativ, sondern interessiert und wertschätzend», sagt Born. Bevor der Film veröffentlicht wird, schickt ihn das Künstlerduo der interviewten Person zur Voransicht.
Möglichkeit, etwas zurückzugeben
Ihre künstlerische Lebensreise begannen beide an verschiedenen Orten in den 1960er-Jahren. Er schrieb Mundart-Lieder, sie arbeitete als Model und Kulturveranstalterin im ehemaligen Ostberlin, wo sich die beiden schliesslich kennenlernten. 2003 zog Barbara Preusler nach Basel. Dort machte sich das Kulturduo etwa mit der Gründung des Kulturpavillons einen Namen. Seit 2016 sind sie in Reinach. «Wir sind hier sehr gut aufgenommen worden. Unser kulturelles Schaffen ist eine Möglichkeit, etwas zurückzugeben», sagt Barbara Preusler. Ob das Projekt finanziell von der Gemeinde unterstützt werde? «Bisher noch nicht. Aber wir sind im Gespräch», verrät Born, und: Die Stiftung Ernst Feigenwinter interessiere sich sehr für die Filme, um diese zu archivieren.
Was ihr Antrieb sei, in einem schwierigen Bereich der Kultur immer dranzubleiben? «Das ist unsere DNA», sagt Preusler. Selbst wenn sich die beiden – sie zählt 73, er 75 Lenze – einmal freinehmen, lässt sie die Kultur nie ganz los: Die Freizeit sei der Moment für neue Inspirationen.
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