Chäppeli – ein verwunschener Ort?
Am Samstag feiert Reinach zum zweiten Mal den neu aufgelegten Fasnachtsbrauch rund um die sagenumwobene Chäppelihäx (Beginn 18.30 Uhr, Ernst-Feigenwinter-Platz). Gelegenheit, um sich über das Chäppeli, Hexen und andere unheimliche Geschichten ein paar Gedanken zu machen.
Franz Wirth
Anlässlich der Chäppelihäx-Premiere wies der Reinacher Historiker Dr. René Salathé vor einem Jahr eindrücklich auf den im Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit grassierenden Hexenwahn hin. Er schilderte auch das traurige Schicksal der beiden Reinacher «Hexen» Dorothea und Agnes Bart, die 1577 zum Feuertod verurteilt wurden. Lässt sich wohl ein Zusammenhang aufzeigen zwischen dem heutigen Reinacher Chäppelihäx-Brauch und den rund fünfhundert Jahre zurückliegenden Ereignissen?
Chäppeli – «verhexter» Ort?
Von Hexen hiess es unter anderem, sie fügten ihren Mitmenschen durch magische Praktiken Schaden zu («Schadenzauber»). So bekannte die wegen Hexerei angeklagte Reinacherin Dorothea Bart 1577 vor dem Arlesheimer Malefizgericht, sie habe «ein hagel gemacht, bey Therwil Capely» und mit diesem Unwetter Verderben über die Dörfer Reinach und Therwil gebracht. (Die Flur Chäppeli liegt auf der Grenze zwischen Reinach und Therwil.) Auch Jakob Süry, der Muttenzer Leidensgenosse der Bart-Schwestern, gestand in diesem Prozess, er sei mit einer Therwiler Hexe «zum Capeli brunnen gefarrn, uf einem Thiere sei gewesen wie ein grosse Katz». Beim Chäppeli habe auch er ein geheimnisvolles Gebräu gekocht, aus dem «ein hagel» geworden sei.
Mit Hexen bringen wir oft gewisse Orte in Zusammenhang: Man denke an den Blocksberg im Harz oder an die Hexmatt in Pratteln, wo sich auch die Reinacher Schwestern Bart mit Jakob Süry und andern Hexen getroffen haben sollen. Die Akten lassen vermuten, dass vor einem halben Jahrtausend ebenfalls das Chäppeligebiet zwischen Reinach und Therwil als ein geheimnisumwitterter, von Hexen heimgesuchter Ort galt.
Chäppeli – auch später sagenumwoben
Auch in anderem Zusammenhang tritt uns das Chäppeli als magische Stätte entgegen. Die Sage erzählt beispielsweise von einem Wilderer, der mit Vorliebe während der Sonntagsmesse seiner verwerflichen Tätigkeit nachgegangen sei. Deshalb habe er nach seinem Tod als schwarzer Mann mit feurigen Augen und einer Schar Hunde über das Bruderholz jagen müssen. Sein «Huha»-Rufen könne man noch immer beim Chäppeli hören.
Der Reinacher Historiker Ernst Feigenwinter (1916–1994) berichtet in seiner Familienchronik von einer Tante, die eine Anzahl Bücher über Hexerei besessen habe. Als Kind musste er ihr ab und zu aus dem «Hexenhammer» vorlesen, aus jenem Buch vom Ende des 15. Jahrhunderts also, das der Legitimation der Hexenverfolgungen diente. In diesem Zusammenhang erzählt Ernst Feigenwinter auch, wie seine Grossmutter ihren Enkeln mit unheimlichen Erzählungen über einen «Chäppelirain-Geischt» Angst eingeflösst habe.
Chäppelihäx – in Stein gemeisselt
Während des Zweiten Weltkriegs vernahmen in Reinach stationierte Soldaten die mysteriösen Geschichten, die sich um das Chäppeli ranken. Einer von ihnen meisselte den Kopf einer Hexe in den Felsen beim Chäppeli. Nach dem Krieg ging dieses Chäppelihäx-Relief leider bei einer Strassenkorrektion verloren. Nur noch eine Bleistiftzeichnung von Gertrud Thüring ist davon erhalten geblieben.
Der Historiker und ehemalige Geschichtslehrer Franz Wirth hat verschiedene Publikationen zur Reinacher Geschichte verfasst. Für das «Wochenblatt» schrieb der Reinacher Alt-Gemeinderat (1988–1999) obigen Text. Die Redaktion bedankt sich herzlich für diesen Gastbeitrag.
Thomas Kramer, Redaktionsleiter