Brisanter Stoff, flüssig erzählt

Am letzten Donnerstag las die Reinacherin Tabea Koenig in der Gemeindebibliothek aus ihrem vierten Roman. Für das Publikum war das Thema eine eindrückliche Überraschung, da das Cover in die Irre führt.

Tabea Koenig: Die Reinacher Schriftstellerin liest aus ihrem vierten Roman. Foto: Thomas Brunnschweiler
Tabea Koenig: Die Reinacher Schriftstellerin liest aus ihrem vierten Roman. Foto: Thomas Brunnschweiler

Gegenüber ihrem neuen historischen Roman «Die Maskenbildnerin von Paris» wirken die Themen der «Huren»-Trilogie fast stereotypenhaft. So ist etwa der Stoff «Jack the Ripper» in «Hurenmord – Die Rose von Whitechapel» nicht originell, jedoch in origineller Weise erzählt. Die Autorin hat mit dem neuen Werk, das in Frankreich spielt, einen literarischen Schritt nach vorn gemacht. Das war auch den Zuhörerinnen und Zuhörern nach der eindrücklichen Lesung anzumerken. Das süssliche Cover, auf dem eine schöne Frau mit Hut und das Panorama von Paris zu sehen sind, repräsentiert alles, nur nicht die Ernsthaftigkeit und Vielschichtigkeit des Plots. Die Hauptfigur Valérie Massé wird nach den Jahren im Fin de Siècle im Ersten Weltkrieg unter der Anleitung der Bildhauerin Anna Coleman Ladd zur Herstellerin von Gesichtsprothesen von versehrten Kriegsopfern. Natürlich ist in die Handlung auch eine Liebesgeschichte verwoben.

Eindrückliche Präsentation

Tabea Koenig baute die Lesung geschickt auf, indem sie zwischen den einzelnen Textteilen historische Fotos zeigte und kommentierte. Als ein vierminütiger Film über die Gesichtsprothesen und die verunstalteten Gesichter der Soldaten gezeigt wurde, war es mucksmäuschenstill im Saal. Im Prolog greift die Autorin vor und schildert die Stimmung in Paris des Januars 1917. In der zweiten Lesung stellte sie das Elternhaus Valéries im fiktiven Dorf Raduille vor. Es ist das Jahr 1912. Valérie ist ein gebildetes, kreatives und neugieriges Mädchen, das in Paris eine künstlerische Karriere machen will. Sie verliebt sich in den Postmeistersohn Gabriel Pigalle, doch ihre Wege trennen sich, da er in Raduille bleiben will. Tabea Koenig schilderte anschaulich «La Belle Époque» (1884–1914) und Valéries Eintritt in die Künstlergemeinschaft der Rive Gauche in Paris. Dort lernt sie den Schriftsteller Apollinaire, den Bildhauer Modigliani, Picasso und die Mäzenin und Kunstsammlerin Gertrude Stein kennen. In der vierten Lesung erfuhr man von der naiven Kriegsbegeisterung der Franzosen. Die Frauen übernehmen Männerarbeiten. Gabriel fällt in den Schützengräben von Verdun.

Brisant und aktualitätsbezogen

In der Bekanntschaft mit Anna Coleman Ladd findet Valérie einen neuen Lebenssinn. Sie formt Masken aus Kupfer mit Emailüberzug, die den gesichtslosen Kriegsopfern wieder eine Identität geben. Schliesslich verliebt sich die Protagonistin in Louis, der selbst ein Opfer einer Gesichtsverwundung geworden ist. Mit der akribisch recherchierten Geschichte und dem Thema der Gesichtsprothesen greift die Autorin das Thema der Identität und des Identitätsverlusts auf, das auch in heutigen Kriegen eine unveränderte Bedeutung hat. Damals war man sich des psychologischen und traumatischen Effekts noch nicht so bewusst wie heute. Ein Buch, das bedeutend mehr bietet, als das Cover verspricht!

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