Wieso nur so wenige Frauen?
Gemeinderäte sind männlich dominiert. Die Dornacher Kantonsrätin Janine Eggs (Grüne) will wissen, was die Solothurner Regierung dagegen unternimmt.
Entscheiden Frauen anders über die Verkehrsinfrastruktur als Männer? Spielt das Geschlecht eine Rolle bei Bildungsfragen oder den Gemeindefinanzen? Wenn es nach Janine Eggs geht, durchaus: Frauen und Männer bringen unterschiedliche Themen ein und gewichten diese anders, ist die grüne Kantonsrätin und Dornacher Gemeinderätin überzeugt.
Dass schweizweit nur ein Viertel der Gemeinderäte von Frauen besetzt ist, sei für die Bevölkerung alles andere als repräsentativ. Eggs wollte deshalb vom Solothurner Regierungsrat wissen, warum die Daten zur Frauenvertretung in Solothurn, anders als in anderen Kantonen, nicht erfasst werden. Und ob die Regierung etwas gegen eine starke Ungleichverteilung der Geschlechter tun will.
Die Zusammensetzung der kommunalen Exekutiven zu erfassen, sei Sache der Gemeinden, schreibt die Regierung in ihrer Stellungnahme. Daran sei nicht zu rütteln, zumal kein Problem bekannt sei, dass Frauen dadurch benachteiligt würden. Öffentliche Ämter sind gemäss der Kantonsverfassung «durch die am besten geeigneten Personen zu besetzen». Das Geschlecht spiele keine Rolle.
Für Janine Eggs ist das ernüchternd. Selbst wenn Frauen in den Solothurner Gemeinderäten im Vergleich mit anderen Kantonen stärker präsent sind, würden deren Anliegen zu kurz kommen. Über die Gründe kann Eggs nur spekulieren: Möglich sei die unzureichende Vereinbarkeit von Beruf respektive Familie und Politik, die Sozialisierung von Frauen oder deren zu hohe Qualitätsansprüche. Doch dies müsste erforscht werden. Dass die Regierung weder von einer statistischen Erfassung noch von möglichen Gegenmassnahmen etwas wissen will, sei «erschreckend».
Rollenbilder wirken nach
Für die Wissenschaft wiederum ist die Frage von Bedeutung. An der Hochschule für Soziale Arbeit FHNW in Olten forscht ein dreiköpfiges Team aktuell mit dem Projekt Fides+ zu den Gründen der Untervertretung von Frauen in Gemeindeexekutiven und arbeitet Strategien aus, um dies zu ändern. Im Zentrum steht dabei die Geschlechtergerechtigkeit. Es geht einerseits darum, die Gründe zu erforschen, um verlässliches Wissen zu schaffen. Andererseits darum, Strategien zu entwickeln, um mehr Frauen in Exekutiven zu bringen.
Das Forschungsprojekt läuft noch bis Sommer 2025, dennoch kann Marianne Stänz vom Projektteam bereits Gründe für die ungleiche Geschlechtervertretung in der Kommunalpolitik nennen. Diskriminierung spiele keine Rolle, allerdings wirkten noch immer gesellschaftliche Rollenbilder nach. Politik war über Jahrhunderte Sache von Männern, in der Schweiz dürfen sich Frauen erst seit 1971 in politische Gremien wählen lassen.
Gemeinderäte im Kanton Luzern sind weiblicher
Eine Lösung sieht man an der FHNW im Aufbau von Netzwerken, in denen Frauen unterstützt werden und spezifische Erfahrungen sammeln können in politischen Gremien, die für das berufliche Fortkommen nützlich sind. Das sei laut Stänz mit ein Grund für den signifikant höheren Frauenanteil in Luzerner Gemeinden. Dort sind Frauen sowohl in Gemeinderäten als auch in Präsidien stärker vertreten als im Aargau, in Baselland, Bern oder Solothurn. Im Regierungsrat des Kantons Solothurn herrscht aktuell eine Frauenmehrheit. Für die Solothurner Regierung ist das denn auch der beste Beweis, warum sie nicht in das Wahlsystem einzugreifen brauche. Sie schreibt, es seien «weder wissenschaftliche Analysen noch allfällige Massnahmenpläne nötig».