Wiener Schmäh in Dornach
Im Hause neuestheater.ch gerät das Wiener Blut fürstlich in Wallung.

Andrea Mašek
Es ist ein Spektakel auf und auch vor der Bühne: Einerseits schauspielern, singen und tanzen die Ensemblemitglieder in wunderschönen Kostümen mit einem Schuss Moderne, andererseits haben sich auch Zuschauerinnen ins Abendkleid geworfen. Die Premiere der Operette «Wiener Blut» von Johann Strauss Sohn im Neuen Theater in Dornach erhält dadurch doppelten Glanz.
Wohltuend schlicht ist dagegen das Bühnenbild. Verstellbare Wände, die jeweils den Szenen entsprechend ausgeleuchtet werden, und ein Minimum an Requisiten genügen, um für die richtige Stimmung und einen dennoch wirkungsvollen Hintergrund zu sorgen. Das Publikum kann sich folglich ganz auf die Figuren konzentrieren. Diese verstehen es, das Publikum vom ersten Moment an zu packen und nicht mehr loszulassen.
Wiener Blut in den Adern
Es ist ganz so, wie es im Walzer «Wiener Blut» heisst: «Wiener Blut, Wiener Blut, eigner Saft, voller Kraft, voller Glut, Wiener Blut, seltnes Gut, du erlebst, du belebst …» Obwohl die meisten der Künstlerinnen und Künstler aus der Schweiz stammen – die Aufführung ist ein Gastspiel der Pamy GmbH – scheint das besungene Wiener Blut in ihren Adern zu fliessen. Und die Inszenierung von Volker Vogel wird auch von viel Wiener Schmäh getragen.
Der deutsche Regisseur, Schauspieler und Sänger brilliert gleich selbst in der Rolle des Prager Karussellbesitzers Kagler. Seine Wortgefechte mit Premierminister Ypsheim-Gindelbach – die beiden missverstehen sich sprachlich stets – amüsieren fürstlich. Wobei man sich auch als Zuschauerin sehr konzentrieren muss. Weitere Wortspielereien sorgen ebenfalls für viele Lacher.
Eine zweite grosse Figur ist Diener Josef. Tenor Karsten Münster überzeugt sowohl komödiantisch wie auch musikalisch. Insbesondere im ersten Akt, in dem die Verwechslungen entstehen, die die Handlung bestimmen, trägt er das Stück. Respektive er sagt halt, wie es ist – so sein Markenspruch. Und er meint keck: Er sei eben hier in Dornach zur Schule gegangen.
Zur Zeit des Wiener Kongresses
Josef ist es auch, der den politischen Rahmen kommentiert. Das heitere Verwirrspiel ist im Wien von 1815 angesiedelt, zur Zeit also des Wiener Kongresses. Dort wurde Europa neu geordnet, nach der Niederlage Napoleons. Balduin Graf Zedlau ist der Abgesandte des Zwergenstaates Reuss-Schleiz-Greiz. Er kümmert sich aber mehr um seine Liebschaften, denn um die Politik. Weil er seine amourösen Abenteuer vor seiner Frau Gabriela, die plötzlich auftaucht, und seinem Premierminister verheimlichen will, kommt es zu den Irrungen und Wirrungen. Alles löst sich jedoch zum Schluss in Minne beim Heurigen in Hietzing auf.
Dem Ensemble können durchs Band hohe Noten verteilt werden. Bass-Bariton Erich Bieri ist ein herrlich naiver Fürst Ypsheim, Sopran Stefanie C. Braun ist die gewiefte Ehefrau Gabriela, Sopran Jacqueline Oesch gibt eine ausgezeichnete Geliebte Franzi und Bariton Alexander von Glenck küsst die Muse und alle Hände als Graf Bitowski. Einzige leise Kritikpunkte: Sopran Katrin Fuchs als Pepi, auf die Balduin ebenfalls ein Auge geworfen hat, wirkt manchmal etwas zu künstlich, und auch Tenor Daniel Zihlmann, der einen wirklich selbstverliebten Balduin abgibt, presst stimmlich hin und wieder zuviel Pathos heraus.
Grosses Lob muss zudem dem Da Vinci Orchester unter der Leitung von Roland Fister gezollt werden. Vom ersten feinen Anstimmen des Walzers Wiener Blut bis zum rauschenden Ende der Darbietung– natürlich wieder mit Wiener Blut – zeigt es eine Meisterleistung. Und auch für die Tänzerinnen gibt es Bravo-Rufe.
Weitere Vorstellungen: 6.–8. Mai sowie am 12. Mai, jeweils um 19.30 Uhr. <link http: www.neuestheater.ch external-link-new-window>www.neuestheater.ch