Rot-blauer Stoff, der Geschichte schreibt
Der Arlesheimer Lorenz Schumacher betreibt eine einmalige Sammlung an FCB-Trikots. Nun hat er die Geschichten in ein Buch gepackt. Auch der FC Basel hat mitgeholfen.
Wir treffen Lorenz Schumacher vor einem unscheinbaren Mehrfamilienhaus in Arlesheim. Er öffnet die Tür und führt uns in ein schmuckes Kellerabteil im Untergeschoss. Hier lagern fast 70 Jahre FCB-Geschichte, denn Schumacher sammelt leidenschaftlich Fussballtrikots. Doch nicht irgendwelche, sondern nur getragene Matchtrikots des FC Basel. Und das seit rund 30 Jahren.
Der Arlesheimer war dabei fleissig und akribisch. Rund 600 Trikots lagert der 41-Jährige in diesem Keller, den er eher zufällig mieten konnte. «Ich habe eine Anzeige im Wochenblatt aufgeschaltet, dass ich einen Hobbyraum suche», erklärt Schumacher. Gemeldet hat sich seine Nachbarin. Seit über drei Jahren hat er nun seine Trikotsammlung nach Alter sortiert aufgehängt. Zuvor waren sie im Schrank und in Kästen im ganzen Haus verteilt.
Stolz führt uns Schumacher durch seine Sammlung. Die ältesten Exemplare stammen aus den 60er-Jahren. Einer Zeit ohne Trikotsponsoren oder Spielernamen auf den Shirts. Die Trikots wurden damals nach den Spielen nicht verschenkt, sondern die ganze Saison oder gar mehrere Jahre getragen. Entsprechend selten sind solche Exemplare: Das Trikot mit der Nummer 10, getragen von Helmut Benthaus im Europacup-Spiel im Jahr 1969 gegen Celtic Glasgow, ersteigerte Schumacher vom damaligen Celtic-Spieler William Wallace aus Australien. Dieser versteigerte die Trikots aus seiner Karriere, darunter auch das FCB-Shirt. Schumacher sicherte es sich für 550 Franken.
Alles begann mit einem Leibchen von Dario Zuffi
Das erste Trikot seiner Sammlung ist 30 Jahre jünger, aber hat für den 41-Jährigen einen höheren emotionalen Wert: «Das erste Trikot ist von Dario Zuffi. Ich habe es nach dem letzten Saisonspiel von ihm geschenkt bekommen.» Zu dieser Zeit begann der damals 12-Jährige die Heimspiele des FC Basel zu besuchen. Und wartete jeweils nach Spielschluss beim Stadionausgang für Autogramme auf die Spieler. Unverhofft erhielt er dort dann sein erstes Leibchen, das ein Spieler getragen hat. Der Startschuss für eine einmalige Sammlung. Seither hat Schumacher über verschiedenste Kanäle Trikots gejagt. Anfangs wurde er vor allem auf Flohmärkten fündig. Mittlerweile gibt es im Internet zahlreiche Plattformen, auf denen alte Fussballshirts gehandelt werden. «Momentan sind Retro-Trikots recht hoch im Kurs», erklärt Schumacher. Das würde sich aber auch in den Preisen widerspiegeln.
Mafiöse Strukturen in Osteuropa und ein grosses Netzwerk
Schumacher kennt aber auch andere Wege: Über die Jahre hat der Arlesheimer sich ein grosses Netzwerk an Sammlerkollegen aufgebaut, in der Schweiz und im Ausland. So wird er immer wieder auf Exemplare hingewiesen.
Ein weiterer Weg, um an getragene Leibchen zu kommen, seien Altkleider-Sammlungen. In Osteuropa würden sämtliche Altkleider sortiert, die dortigen Leute kennen den Wert von Retro-Shirts und ziehen sie aus dem Verkehr. Der Oberstufenlehrer unterhält auch dorthin Kontakte, auch wenn das nicht immer einfach sei. «Das sind dort schon fast etwas mafiöse Strukturen», sagt Schumacher. Trotzdem konnte er auch über diesen Weg einige Exemplare für seine Sammlung gewinnen.
Schumachers Trikotmuseum in Arlesheim ist unscheinbar und nicht öffentlich zugänglich. Ihm sei es aber ein Anliegen, dass möglichst viele FCB-Fans die Geschichten, die die Trikots erzählen, kennen lernen. Über seine Website wird er immer wieder für Führungen angefragt, die er dann auch gerne anbietet. Um die Geschichten aber einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen, bringt er nun ein Buch heraus. Unter dem Titel «Stoffgeschichten» gibt Schumacher auf 640 Seiten exklusive Einblicke in die rotblaue Trikotwelt.
Einblick in bislang unveröffentlichte Bilder
Dafür hat er auch mit dem FC Basel zusammengespannt und erhielt Zugang zum Bildarchiv des Vereins. Das Ganze entstand vor knapp zwei Jahren, als der FCB Schumacher in seinem Kellerabteil in Arlesheim besuchte. Auch Präsident David Degen und Klubikone Marco Streller waren dabei.
In Zusammenarbeit mit dem Grafiker Michi Nussbaumer, dem Fotografen Nic Gysin und dem Historiker Nils Widmer hat Schumacher während eineinhalb Jahren am Buch gearbeitet und das erste Trikotbuch der Schweiz geschaffen. «Wir haben versucht, das Buch so abwechslungsreich wie möglich zu gestalten», sagt der 41-Jährige. Der Fokus liege immer auf den Trikots der Sammlung, dazwischen tauchen immer wieder historische Kontexte und Porträts von ehemaligen Spielern auf, die sich zu der damaligen Zeit äussern, in der sie die Trikots auf dem Platz trugen. Und Bilder aus dem Vereinsarchiv sowie weiteren Fotoarchiven, die bislang noch niemand zu sehen bekommen hat. Entstanden ist eine exemplarisch erzählte Vereinsgeschichte des FC Basel, die den Wandel der Fussballshirts thematisiert. Diese seien auch gute Zeitzeugen, wie es dem Klub damals ging. Auf einigen Trikots sind beispielsweise Sponsoren mit neuen überklebt worden, weil sich der Klub keine neuen Leibchen leisten konnte.
Das Buch ist ab heute, dem 17. Oktober, online erhältlich. Organisiert vom FC Basel und der Muttenzerkurve findet zudem am Samstag, 19. Oktober, ein Trikot-Anlass im Saal 12 statt, der die Geschichte der FCB-Trikots beleuchtet. Auch dort – oder im Fanshop – ist Schumachers Buch erhältlich.