Neue Mehrwertabgabe: Die Debatte wird heiss

Der Kanton will, dass Baselbieter Gemeinden bei Ein-, Auf- und Umzonungen automatisch abschöpfen können.

Wer als Investor in Baselbieter Gemeinden gross bauen will, wird bald automatisch zur Kasse gebeten. Und zwar nicht nur in Münchenstein, sondern in allen 86 Gemeinden des Kantons. Ende Juni legte die Regierung die entsprechende Gesetzesrevision vor: Neu sollen mindestens 20, maximal 40 Prozent der Wertsteigerung von Arealen aus Ein-, Auf- und Umzonungen an die öffentliche Hand gehen.

Der Revision ging ein langes Hickhack voraus, bei dem die Baselbieter Regierung von der Gemeinde Münchenstein bis vor Bundesgericht gezogen wurde. Der Fall sorgte für Aufsehen und war unter anderem der Grund für Anpassungen in der zweiten Etappe des Raumplanungsgesetzes des Bundes, kurz: RPG 2. Münchenstein kämpfte damals dafür, eine kommunale Mehrwertabgabe bei Auf- und Umzonungen geltend machen zu können. Vergangenen Oktober dann führte die Gemeinde per Volksabstimmung eine Mehrwertabgabe von 50 Prozent ein.

Automatismus führe in die«falsche Richtung»

Die Vorlage erhitzt die Gemüter. «Für mich stellt sich tatsächlich die Frage, warum wir bereits jetzt wieder über eine solche Gesetzesrevision debattieren müssen», sagt FDP-Landrätin Christine Frey. Als Münchensteinerin war sie bereits im Abstimmungskampf um die Einführung der kommunalen Mehrwertabgabe tätig. «Nach der zwischenzeitlichen Anpassung des RPG2 auf Bundesebene sind die vom Bundesgericht ­gerügten Punkte rechtlich hinfällig – bis auf die notwendige Anpassung des Freibetrags. Es stellt sich somit grundsätzlich die Frage, warum die Baselbieter Gesetzgebung nach nur fünf Jahren wieder revidiert werden soll.»

Frey ist eine Verfechterin der individuell ausgehandelten Investorenabgabe. Dies war bis jetzt im Baselbiet die Norm: Der Gemeinderat handelt mit Investoren individuell entsprechende Abgaben aus, die für den Wertgewinn des jeweiligen Areals durch Auf- und Umzonungen anfallen. Laut Frey habe sich das System bewährt: Es erlaube Flexibilität für alle Verhandlungspartner und stelle sicher, dass situative Lösungen gefunden würden. Ein Automatismus könne negative Folgen haben, zum Beispiel wenn ein Investor Genossenschaftswohnungen baue; da helfen hohe Abgaben nicht, um günstigen Wohnraum zu generieren. Der Automatismus führe damit in die falsche Richtung: Gemeinderäte würden Gestaltungsspielraum abgeben.

«Natürlich sind Verhandlungen über kommunale Arealentwicklungen und die dazugehörigen Abgaben komplex», sagt sie, «aber von einem Gemeinderat beziehungsweise dem Präsidium ist zu erwarten, dass solche strategischen Überlegungen angestellt und Gespräche kompetent geführt werden können.»

Zudem stösst sich Frey an der Regelung, dass über die Abgaben Infrastrukturmassnahmen im Gemeindebann finanziert werden können. «Wenn, dann sollen diese Gelder in unmittelbarer Projektumgebung für Verbesserungen eingesetzt werden», sagt Frey, «und nicht etwa für Geländer am andern Ende des Dorfs.»

Kritik an «mutloser» Vorlage

Anderer Meinung, aber ebenfalls unzufrieden mit der Vorlage zeigt sich der Münchensteiner SP-Landrat Adil Koller. «Der Mut, den man in der Vernehmlassungsvorlage noch sehen konnte, scheint wieder aus dem Regierungskörper gewichen zu sein», sagt er. Man wolle die progressiven Gemeinden wie Münchenstein nun wieder deckeln. «Es muss aber den Gemeinden gestattet werden, auch eine höhere Mehrwertabgabe verlangen zu können.»

Er hoffe auf eine schnelle Einigung ohne Verzögerungstaktik der anderen Seite, sagt Koller. Das schaffe auch Rechtssicherheit für die Investoren. Münchenstein jedenfalls zeigt klare Kante: Die Gemeinde nimmt die Vorlage zur Kenntnis, betont jedoch auf Anfrage, dass die 50 Prozent Mehrwertabgabe in Münchenstein eingeführt sind und nach wie vor unverändert gelten.

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