Menschenrechtsaktivistin Seyran Ateş macht Halt in Arlesheim
Die Anwältin Seyran Ateş kämpft für Gleichberechtigung. Auf ihrer Pilgerreise zur UNO in Genf besuchte die liberale Muslimin Arlesheim.
Am späten Sonntagnachmittag macht Menschenrechtsaktivistin, Frauenrechtlerin und Pilgerin Seyran Ateş eine Pause in Arlesheim. Vor der reformierten Kirche Arlesheim geniesst sie Speis und Trank, hält eine Ansprache und badet in der Menge von Freunden, Bewunderern und Mitpilgern. Ateş ist mal hier mal dort, umarmt einen Freund, grüsst jemanden im Vorbeigehen, verwickelt sich in etliche Gespräche. Diese Frau hat viel zu sagen.
Seyran Ateş ist vieles in einer Person: Anwältin, Autorin, Frauenrechtlerin, Pilgerin und liberale Muslimin. Sie setzt sich seit vielen Jahren für die Gemeinschaft der liberalen Muslime ein. Ihr Zuhause ist in Berlin, wo sie eine liberalmuslimische Moschee mitgegründet hat. Sie ist politisch aktiv und engagiert sich für Gleichberechtigung und Integration. «Ich bin politisch sozialisiert worden. Egal was ich mache, es hat immer mit Politik zu tun. Ich denke sogar, dass wir alle politisch sind in dem, was wir sagen und wie wir handeln», sagt Ateş.
Und so ist auch ihre Pilgerreise, die sie in Arlesheim rasten liess (und hier einen der begehrten Pilgerstempel erhielt), eine politische Mission: «Wir laufen über Bern, Lausanne nach Genf. Dort werden wir eine Petition einreichen. Wir haben dazu ein Büchlein, das begleitet uns auf der Reise, und alle, die wollen, dürfen ihre Wünsche und Gedanken darin niederschreiben.» Sie wünsche sich, dass liberale Musliminnen und Muslime mehr gesehen würden und die Religionsfreiheit für alle gelte. «Diese Petition wollen wir bei der UNO abgeben.»
Den Besuch organisiert haben der Basler Münsterpfarrer Lukas Kundert, der Arlesheimer Pfarrer Thomas Mory und Gemeinderat Hartmut Vetter (Frischluft).
Prägung und Pilgern
Ateş hat als Kind erlebt, wie es ist, in einer streng religiösen Grossfamilie aufzuwachsen. «Insbesondere hat es dazu beigetragen, dass ich sehr früh angefangen habe, gegen die Ungleichbehandlung der Geschlechter zu kämpfen», sagt sie. Ihre Wurzeln sind türkisch und kurdisch. Mit sechs Jahren kam Ateş nach Berlin. Bereits mit 17 Jahren zog sie von zu Hause aus, «um selbstbestimmt leben zu können», erklärt sie. Heute bestimmt sie ihren Weg selbst; und den pilgert sie am liebsten: «Seit vielen Jahren pilgere ich auf christlichen Wegen, weil das Pilgern in meiner Religion, dem Islam, zwar eine der fünf Säulen ist, aber ich wollte nie nach Mekka. Dort sind Nichtmuslime nicht willkommen und Frauen müssen sich verschleiern», erzählt Ateş und fügt an: «Das sind Dinge, die für mich als liberale Muslimin nicht passen. Ich bin sowieso ein Fan von interreligiösen Interaktionen und deshalb habe ich mich für den Jakobsweg entschieden. Jetzt bin ich hier und pilgere in der Schweiz.»
Seyran Ateş hat in ihrem Leben viel Gewalt erlebt. Das Attentat auf ihre Mandantin, bei welchem diese verstarb und Ateş lebensgefährlich verletzt wurde, prägt sie bis heute schwer. Beim Pilgern sucht Ateş Frieden: «Ich habe auch für mich selbst, gerade beim Pilgern, Frieden gesucht. Und ich habe Menschen getroffen, mit denen ich friedlich sein und laufen und leben kann. Und das wünsche ich allen Menschen», erzählt sie.
So ist das Pilgern mit Ateş keineswegs eine stille Angelegenheit: «Es ist gut, wenn wir zusammen laufen und über die Mission reden. Deshalb heisst es bei uns auch ‹walk and talk›.»
Vorläuferin, die den Weg freimacht
Getreu dem Motto «Tu Gutes und rede darüber!» unterhält sich Ateş stets angeregt mit ihren Mitmenschen und gibt ihrer Botschaft eine klare Stimme: «Ich bin liberale Muslimin. Wir möchten Gleichberechtigung für Männer und Frauen; wir möchten, dass die LGBTQ-Bewegung akzeptiert wird; wir möchten zusammen beten; wir möchten Männer und Frauen als Imame haben, die vorbeten; wir möchten eine gemischte Gemeinde, die auf den Menschen schaut.»
Ateş ist in ihrer Gemeinde Imamin, sie ruft zum Gebet und betet vor. Generell ist sie eine Vorläuferin. Sie geht voran und macht den Weg frei. Wäre sie ein Tier, wäre sie eins, das zu kämpfen vermag: «Ich bin als Sternzeichen Widder und damit bin ich zufrieden. Ein Kampftier mit Hörnern, geht manchmal durch die Wand und ist kräftig.»