Kein «Jö» am Weltkatzentag: Tierschützer haben immer mehr Arbeit – auch in der Region

Die Population verwilderter Hauskatzen nimmt in der Schweiz zu. Das stellt Tierschutzverbände wie NetAP vor Herausforderungen. Tierschützerin Manuela Brüderlin erzählt zum heutigen Weltkatzentag, wie sie täglich gegen das Elend kämpft.

Vorbereitung ist alles: Manuela Brüderlin füllt die Näpfe, die sie anschliessend in den Lebendfallen platziert. Fotos: ZVG

Vorbereitung ist alles: Manuela Brüderlin füllt die Näpfe, die sie anschliessend in den Lebendfallen platziert. Fotos: ZVG

Hat sich dem Tierschutz verschrieben: Manuela Brüderlin.

Hat sich dem Tierschutz verschrieben: Manuela Brüderlin.

Frau Brüderlin, die Katze ist das beliebteste Haustier der Schweizerinnen und Schweizer. Katzenelend verbinden wir eher mit dem Ausland. Warum hat die Schweiz dennoch ein Katzenproblem?

Das hat verschiedene Gründe: Zum einen vermehren sich Katzen besonders stark auf Bauernhöfen, auf denen sie gehalten werden, um Mäuse zu jagen. Das Gerücht, dass kastrierte Katzen nicht mausen, hält sich leider hartnäckig. Aber auch Privatpersonen, die unkastrierte Katzen aus dem Haus lassen, tragen zum Elend bei. Diese vermehren sich unkontrolliert, denn Katzen können bis zu dreimal im Jahr Junge haben. Die Kitten findet man nicht immer, und so wachsen sie verwildert auf. Dazu kommt: In unserer Region lebt die Wildkatze. Sie ist aber vom Aussterben bedroht, weil sie sich mit verwilderten Katzen paart und dadurch der Genpool laufend verwässert wird.

Sie sind als ehrenamtliche Helferin zur Stelle, wenn unliebsame Katzen verschwinden sollen. Wie gelangen die Fälle zu Ihnen?

Meist über das NetAP-Büro oder auch über direkte Anrufe bei mir, weil Tierkliniken meine Nummer weitergeben. Oder aber die Leute empfehlen uns – das ist vor allem unter Landwirten der Fall.

Wie läuft ein typischer Einsatz ab?

Jeder Einsatz ist anders. Es können Einzelkatzen betroffen sein oder ganze Katzengruppen. Zuerst gibt es immer ein Gespräch mit den Meldern, die eine Katze gesichtet haben, oder mit den Bauern, die auf ihrem Hof Katzen haben. Ich plane die Tierarzttermine im Voraus und koordiniere die Einsätze der Freiwilligen. Einsätze plane ich so, dass ich möglichst viel alleine machen kann, denn in der Region sind wir derzeit nur drei Freiwillige. Für den Einsatztag bereite ich Transportboxen und Futter vor. Wenn klar ist, wie die Situation aussieht, versuchen wir die Tiere mittels verschiedener Lebendfallen einzufangen. Wir prüfen dann zum Beispiel, ob sie einen Besitzer haben, ob sie gesund sind und ob sie kas­triert sind. Meistens können die Tiere nach der Kastration wieder in ihr altes Revier. Aber leider dürfen nicht alle Tiere zurück.

Was geschieht mit unliebsamen ­Katzen, wenn Sie sich nicht um deren ­Umplatzierung kümmern?

Viele Leute sagen uns: «Dann erschiesse ich die Katzen halt.» Kitten werden auch ertränkt, wenn sie stören. Gerade bei Landwirten herrscht oft grosser Frust ­angesichts der Katzenflut. Wenn man hier das Gespräch sucht, kommt man meist weiter und kann die Katzen retten.

In Dornach hat Sie vor kurzem ein besonders schwieriger Fall beschäftigt.

Ja, auf einem Bauernhof waren es zwischen 40 und 50 Katzen, die alle unkastriert und verwildert waren. Viele davon waren zugelaufen oder aktiv ausgesetzt worden. Der Landwirt war nicht bereit, Geld für die Kastration zu zahlen. Wir wurden dann gerufen, um die Katzen kastrieren zu lassen. Eine Freiwillige von uns hat die regelmässige Fütterung übernommen, wir haben die Tierarztkosten getragen. Dieser Fall hat uns Tausende Franken ­gekostet. Auf dem Hof gab es einen Pächterwechsel, und die neuen Landwirte wollten die Katzen nicht mehr. Deshalb mussten wir sie vermitteln.

Das ist nicht einfach.

Nein, verwilderte Katzen unterzubringen, ist sehr schwierig. Deshalb brauchen wir Plätze, an denen solche Katzen leben ­dürfen. Meist kommen sie bei Landwirten unter, bei denen wir schon kastriert haben, oder auf Lebenshöfen. Auch in Reitställen finden wir Plätze.

Wer bezahlt die Einsätze?

Unsere Kosten decken wir über Spendengelder. Jeder Franken kommt direkt bei den Katzen an, denn wir haben keine ­teure Verwaltung. Unsere Arbeit ist nicht nur ehrenamtlich, wir investieren auch persönlich viel in die Rettung all dieser ­Katzen.

Welche Massnahmen wünschen Sie sich von der Politik?

Ganz klar eine Kastrationspflicht, diese würde die Vermehrung stoppen. Auch eine Chippflicht wäre hilfreich, um Halter schneller zu eruieren. Das würde uns ­unheimlich helfen. Eine solche Pflicht könnte auch auf kantonaler Ebene eingeführt werden. Es wäre ein erster Schritt.

Die Einsätze sind hart, der Dank ist meist klein. Die Politik reagiert kaum. Warum engagieren Sie sich trotzdem für die Katzen?

Weil mir die Tiere megawichtig sind. Wenn ich nicht helfe, wer macht es dann? Ich konnte so viele Tiere retten, die ein schönes Leben erhalten haben. Und auch den Menschen helfen wir damit. Das ist Lohn genug.

Sie arbeiten in einem 100-Prozent-­Pensum bei einer Versicherung. Wie stemmen Sie diese Doppelbelastung?

Für mich ist es eine Abwechslung neben dem Job, ich bin gerne draussen. Dafür sitze ich am Wochenende nicht auf dem Sofa, sondern fange Katzen. (Lacht.)

Hand aufs Herz: Wie viele der verwilderten Katzen haben bei Ihnen schon ein Für-immer-Daheim gefunden?

Nur eine! Man verliebt sich zwar immer wieder in die Büsi, aber man muss sich abgrenzen können. Ich hatte bereits eigene Katzen, bevor ich zu NetAP kam.

Welche Tipps haben Sie für Menschen, die sich eine Katze zulegen möchten?

Wichtig ist, sich über die Bedürfnisse, die Rasse und den Charakter der jeweiligen Katze zu informieren. Wer eine Wohnung hat, sollte keinen Freigänger übernehmen. Bei Freigang sollte man sich überlegen, ob man wirklich an einem geeig­neten Ort wohnt. Bei Wohnungshaltung sollte unbedingt der Balkon mit einem Netz gesichert werden, damit die Katzen nicht herunterfallen können. Wir haben auf der Website auch einen Leitfaden zur Katzenhaltung. Und natürlich: chippen, impfen und kastrieren!

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