Gideon-Mitglieder verschenken Wort Gottes vor Arlesheimer Schule – Schulleitung wusste Bescheid

Anfang der Woche verteilten Anhänger des Gideon-bundes Bibeln bei der Sekundarschule in Arlesheim. Einen Vater irritiert das Vorgehen.

Aktion vor dem Gerenmattschulgelände: Die Mitglieder des christlichen Bundes verteilten die Bibeln nicht auf dem Schulgelände, sondern auf öffentlichem Grund. Foto: Reto Hartmann
Aktion vor dem Gerenmattschulgelände: Die Mitglieder des christlichen Bundes verteilten die Bibeln nicht auf dem Schulgelände, sondern auf öffentlichem Grund. Foto: Reto Hartmann

Vor der Gerenmattschule in Arlesheim, kurz vor Schulbeginn, verteilten am Dienstagmorgen Anhänger des Gideonbundes Bibeln an Primar- und Sekundarschülerinnen und -schüler. Die Mitglieder des christlichen Bundes teilten sich vor dem Schulgelände so auf, dass kaum ein Weg an ihnen vorbeiführte.

Beobachtet hat den Vorgang ein besorgter Vater, der sich kurz darauf beim Wochenblatt meldete. «Ich habe mindestens vier Männer und eine Frau gesehen, die alle bei den Zugangspunkten zur Schule standen», führt der Vater, der anonym bleiben möchte, aus. Er habe seinen Sohn in die Schule begleitet, da die Familie erst gerade nach Arlesheim gezogen sei. Die Gideon-Anhänger hätten die Schule regelrecht «umzingelt». Ausserdem habe er gesehen, wie die Personen teilweise fast aufdringlich auf die Kinder zugegangen seien. «Auch meinem Sohn, einem Primarschüler, wollte der Herr eine Bibel in die Hand drücken. Und das, obwohl ich dabei stand. Ich habe mich schon sehr über diese Situation gewundert. Und ich frage mich, ob die Schulleitung so etwas duldet.»

Schulleitung zeigt Verständnis für Sorge der Eltern

Auf Nachfrage des Wochenblattes sagt Rosmarie Gügler, Gesamtschulleiterin des Kindergartens und der Primarschule Arlesheim, sie sei am Dienstagmorgen vor Ort, die Situation «unangenehm» gewesen: «Ich kann die Sorgen der Eltern gut nachvollziehen.» Die Aktion sei jedoch legal gewesen, die Personen hätten sich ausweisen können und sich auf öffentlichem Grund aufgehalten, nicht auf dem Schulgelände. «Wir konnten sie deshalb auch nicht wegschicken. Wir waren aber präsent und haben die Personen angesprochen.» Die Gideon-Mitglieder hätten sich am Dienstagmorgen dann recht bald wieder verzogen. Die Primarschulleitung sei vorgängig nicht informiert worden, wohl aber die Schulleitung der Sekundarschule.

«Das stimmt», sagt Josua Rufer, Co-Schulleiter an der Sekundarschule Arlesheim-Münchenstein. Er habe von der Aktion gewusst, die Gideon-Gruppe habe die Schule mit einem Schreiben im Vorfeld informiert. Allerdings sei nicht klar gewesen, wann die Bibel-Verteil-Aktion stattfinden würde. Die Gideons hätten in ihrem Schreiben versichert, nicht aufdringlich zu sein.

Auf dem Schulgelände dürfe nichts verteilt werden, was ideologisch geprägt sei oder kommerziellen Charakter habe, so Rufer. «Aber da sich die Gideon-Mitglieder auf öffentlichem Grund befanden, konnten wir dagegen nichts sagen», erklärt der Schulleiter.

Das Verteilen der Bibel auf öffentlichem Grund ist nicht verboten. Die Schulleitung war ausserdem davon überzeugt, die Gruppe hätte von der Polizei eine Bewilligung für die Aktion erhalten. Zumindest hätten die Bibel-Verteiler am Dienstag ein Dokument gezeigt, das wie eine Bewilligung gewirkt habe, so Gügler.

Auf Anfrage teilt die Polizei Baselland mit, sie stelle keine solchen Bewilligungen aus  – das sei Aufgabe der Gemeinde. Diese habe allerdings ebenfalls keine Bewilligung ausgesprochen, erklärt die Arlesheimer Gemeindeverwalterin Kathrin Bartels.

Gideon-Gruppe nimmt Stellung

Remo Saner ist Mitglied der Gideon-Gruppe Baselland und war am Dienstag bei der Aktion selbst dabei. Er habe sowohl die Schulleitung als auch die Polizei im Vorfeld informiert. «Eine Bewilligung braucht es für das Verteilen der Bibel auf öffentlichem Grund nicht», sagt Saner. In seinem Infoschreiben habe er festgehalten: «Der Artikel 15 unserer Bundesverfassung garantiert jedem Schweizer Bürger Glaubensfreiheit. Mit dem Artikel 16 derselben steht uns das Recht zu, auf öffentlichem Grund Bibeln zu verteilen.» Mehr will Saner nicht sagen und verweist auf einen internationalen Leiter der Gideons.

Dieser ruft tags darauf tatsächlich an – mit unterdrückter Nummer und ohne Nennung seines Namens. Er habe zu viele schlechte Erfahrungen mit Medien gemacht, erklärt er. Auch das Leitungsmitglied sagt, eine Bewilligung sei nicht nötig – vielleicht sei es vor Ort zu einem Missverständnis gekommen. Die Regionalgruppen seien angehalten, nicht aufdringlich zu wirken, darauf werde auch in den regelmässig stattfindenden Schulungen Wert gelegt. «Wenn jemand wirklich aufdringlich gewesen sein sollte, ist das nicht okay», sagt der Mann.

Zielgruppe für die Bibelverteilung seien Kinder ab 10 Jahren. Diese seien in der Regel alt genug, um selbst zu entscheiden, ob sie die Bibel annehmen möchten oder nicht: «Wenn diese Kinder ein Buch mitnehmen, geht die Welt nicht unter.» Die Gideons dürften keinen Druck ausüben und die Kinder entschieden selbst, ob sie die Bibel nehmen möchten oder nicht.

Schülerinnen und Schüler können sich an Lehrpersonen wenden

Sollte die Aktion einige Schülerinnen und Schüler irritiert haben, so hätten diese die Möglichkeit, sich an ihre Lehrpersonen zu wenden, sagt Sekundarschulleiter Josua Rufer. «Wenn Gesprächsbedarf besteht, gehen die Lehrpersonen darauf ein.» Vor kurzem sei der Gideonbund auch an der Sekundarschule Münchenstein präsent gewesen. Dort habe es jedoch keine Rückmeldung von Eltern gegeben, so Rufer.

Der Gideonbund

fam. The Gideons International ist eine Vereinigung evangelikaler Geschäftsleute, die 1898 in den USA gegründet wurde. Die Mitglieder müssen einer Kirche angehören, es gibt keine eigene Gideon-Kirche. Mit Verteilaktionen der Bibel, besonders auch vor Schulen, wollen die Mitglieder das Wort Gottes weitergeben. Laut eigener Angabe gibt es weltweit 260 000 Vertreterinnen und Helfer in 200 Ländern.

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