Einst fuhren Züge drüber, bald sind es Velos

Die Eisenbahnbrücke in Münchenstein hat ihr Lebensende erreicht. Die Baselbieter Regierung will sie nicht abreissen, sondern umnutzen.

Geschichtsträchtig: Die Münchensteiner Brücke zählt zu den ältesten grossen Eisenbahnbrücken im Kanton. Foto: Kenneth Nars

Wäre die alte Eisenbahnbrücke in Münchenstein ein Mensch, wüsste sie viel über die Geschichte und Entwicklung der Schweizer Bahn: Während Jahrzehnten überquerten sie jeden Tag unzählige Züge, deren Aussehen und technische Möglichkeiten sich im Verlauf der Zeit stark wandelten. Den Enkeln könnte sie von früher erzählen, als die Züge deutlich mehr ruckelten als heute und man sich im Raucherabteil noch eine Zigarette anzünden konnte.

Die Brücke ist zwar kein Mensch, aber selbst als Bauwerk ist sie mittlerweile in einem Alter, in dem ihre besten Tage weit hinter ihr liegen. Eine statische Beurteilung der SBB hatte ergeben, dass die Stahlfachwerkbrücke von 1892 für den Eisenbahnverkehr nur noch bis zum kommenden Jahr sicher genutzt werden kann.

Die gleich nebenan gelegene Schwesterbrücke von 1909 wurde bereits im Sommer ausgehoben, verschrottet und durch eine neue Stahlbrücke ersetzt. Die noch ein paar Jahre ältere Baute soll nicht dasselbe Schicksal ereilen: Die Baselbieter Regierung spricht sich dafür aus, sie künftig als Fussgänger- und Velobrücke zu nutzen.

Eine Gemeinde könnte die Brücke übernehmen

Am 25. Februar 2025 wird ein 1000 Tonnen schwerer Raupenkran auch die zweite Münchensteiner Birsbrücke ausheben. Danach soll sie in möglichst wenige Einzelteile zerlegt und an einen noch zu definierenden Zwischenlagerplatz gebracht werden, schreibt der Regierungsrat in seiner kürzlich erschienenen Antwort auf ein Postulat von Mitte-Landrat Simon Oberbeck. Für die Demontage und Lagerung hat die Regierung einen Betrag von 770000 Franken in den Aufgaben- und Finanzplan für die Jahre 2025 bis 2028 aufgenommen. Für die Wiedermontage rechnet sie mit etwas mehr als drei Millionen Franken.

Hinter diese Zahlen setzt der Urheber der Idee ein Fragezeichen: «Der genannte Betrag erscheint mir relativ hoch», sagt Oberbeck. «Bei den Kosten für die Demontage, den Transport und Wiederaufbau erwarte ich, dass man alle Optionen prüft.» Grundsätzlich freut er sich aber sehr, dass der Kanton die Wiederverwendung der Birsbrücke umsetzen will. Er anerkenne damit die wichtige historische Bedeutung. Oberbeck sagt: «Ich bin gespannt, wo die Brücke dann schlussendlich wieder aufgebaut wird.» Wo sie hinkommt, ist derzeit noch unklar. Über die Birs im Raum Münchenstein-Aesch seien neue Fussgänger- und Velobrücken in Planung, wo eine Verwendung denkbar sei, schreibt der Regierungsrat. Die Brücke könne aber auch von einer Gemeinde übernommen ­werden.

Zeitzeugin des schwersten Eisenbahnunglücks

Den Erhalt der Brücke begründet die Baselbieter Regierung neben umweltschützerischen Aspekten mit der historischen Bedeutung der Bücke: «Gemeinsam mit der Frenkenbrücke in Liestal (1854), dem Viadukt in Rümlingen (1856) und der Birsbrücke in Liesberg (1892) zählt die Münchensteiner Brücke zu den ältesten grossen Eisenbahnbrücken im Kanton Basel-Landschaft.»

Die authentisch erhaltene Gitterträgerkonstruktion sei eine für die Entstehungszeit typische und übliche Bauweise. «Das macht sie zu einem überregional, allenfalls national bedeutsamen und damit rein in ihrer materiellen Überlieferung schützens- und erhaltenswerten Bauwerk.»

Darüber hinaus komme der Brücke auch eine Wichtigkeit als Zeitzeugin des schwersten Eisenbahnunglücks der Schweiz mit den daraus gezogenen Lehren und Erkenntnissen zu. Die Brücke folgte auf jene aus dem Büro von Gus­tave Eiffel, die 1891 unter der Last der Waggons zusammengebrochen war. 73 Personen verloren ihr Leben. Ausgelöst durch den Brückeneinsturz erliess der Bundesrat erstmals eine Baunorm für Tragwerke, die bereits bei der Nachfolgebrücke zum Tragen kam.

Wäre die alte Eisenbahnbrücke in Münchenstein also ein Mensch, genösse sie bald einen würdigen Lebensabend. Ein wenig weiterarbeiten dürfte sie trotzdem, da ihr der Job im Verlauf der Jahrzehnte viel zu sehr ans Herz gewachsen ist. Auszuhalten gäbe es jedoch bedeutend weniger als früher.

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