Bruderholz vor Richtungsentscheid
Braucht das Bruderholz-spital mehr Betten für stationäre Behandlungen? Oder liegt seine Zukunft als Tagesklinik in der Spezialisierung auf ambulante Fälle? Am 21. Mai stimmen die Baselbieter darüber ab.
Rund 70 Millionen Franken jährlich hofften die Gesundheitsdirektoren beider Basel durch die gemeinsame Planung des Universitätsspitals Basel und des Kantonsspitals Baselland einzusparen. Das Bruderholzspital sollte in der im September vorgestellten Strategie zu einer «patientenfreundlichen Tagesklinik» umfunktioniert werden und den Trend zu ambulanten Eingriffen fördern. Die stationäre Reha für Geriatrie und Orthopädie wäre ebenfalls an diesem Standort verblieben. Doch jetzt kann alles ganz anders kommen; denn die Initiative «Ja zum Bruderholzspital» fordert weiterhin eine erweiterte Grundversorgung für stationäre und ambulante Behandlungen auf dem Bruderholz. Die Abstimmung über die Zukunft des Spitals ist für den 21. Mai angesetzt.
Das Initiativkomitee um den Reinacher Geschäftsmann Steffen Herbert, den emeritierten Professor Hans Kummer und den ehemaligen stellvertretenden Chefarzt auf dem Bruderholz, Ferdinand Martius, fürchten um die Grundversorgung im unteren Kantonsteil und sprechen von «verheerenden Folgen», sollten die Gesundheitsdirektoren ihre Pläne umsetzen: «Abbau von Jobs und Lehrstellen, explodierende Gesundheitskosten in der Region und ein massiver Geldabfluss in Richtung Basel-Stadt» wären ihrer Meinung nach die Folgen.
Am Montagabend fand in Reinach eine Veranstaltung des Initiativkomitees statt; laut Herbert war sie gut besucht und konnte viele Zuhörer überzeugen. Tags darauf, am Dienstagabend, diskutierte die CVP in Aesch ergebnisoffen mit Regierungsrat Thomas Weber. Vor drei Wochen gründete sich ein überparteiliches Gegenkomitee, dem der Binninger FDP-Landrat Sven Inäbnit vorsteht. Von seiner Seite ist im Birseck keine Veranstaltung mehr geplant.
«Ein Fass ohne Boden»
Beide Komitees argumentieren mit dem «Fass ohne Boden», das so in der Abstimmungsvorlage des Kantons erwähnt wird. Das Gegenkomitee spricht von einem «politischen Eigentor» der Initianten: Das «sture Festhalten an überrissenen Forderungen» gefährde den Standort des heute schon defizitären Bruderholzspitals, sagt Inäbnit: Es würde finanziell ruiniert und vor allem den Standort Liestal belasten, der den grössten Teil des Defizits finanzieren müsste. Mit der Festschreibung der stationären Grundversorgung mit weiteren «unnötigen» Betten würde die finanzielle Schieflage betoniert: Jeder Fall im Bruderholzspital verursache einen Fehlbetrag zwischen 1500 und 3000 Franken, rechnet Inäbnit vor; in zehn Jahren sei mit 250 Millionen Franken zu rechnen.
Das Ja-Komitee rechnet mit ganz anderen Zahlen: Baselland habe aufgrund der freien Spitalwahl seit 2012 46 Millionen Franken mehr an den Stadtkanton gezahlt, als es müsste. Vor der Freizügigkeit hätten sich die Kosten für stationäre Spitalbehandlungen im Baselbiet bei 5 bis 10 Prozent über dem Schweizer Durchschnitt bewegt, in Basel-Stadt hingegen bei 150 Prozent. Weil Baselland als einziger Kanton freiwillig die Zusatzkosten der Patienten beim Kantonswechsel übernehme, liege es inzwischen 129 Prozent über dem Schweizer Durchschnitt. Werde die Leistung auf dem Bruderholz weiter abgebaut, würden noch mehr Patienten in die Stadt abwandern und die Kosten für den Landkanton noch weiter in die Höhe treiben. Die Befürworter gehen deshalb davon aus, dass das Bruderholzspital und das ganze Kantonsspital absichtlich schlechtgeredet würden, um bessere Argumente für eine Fusion mit dem Unispital zu haben. Der Mediziner Kummer erinnert an «unglückliche Führungsentscheide in der Vergangenheit», die mehrere prominente Kaderärzte vergrault hätten.
400 Jobs gefährdet?
Das Ja-Komitee sieht bei der geplanten reduzierten Leistung zahlreiche Arbeits- und Lehrstellen gefährdet. Herbert spricht von 400 Arbeitsstellen; das habe die Gewerkschaft Syna ausgerechnet. «Es geht ja nicht nur ums medizinische Personal, sondern auch um die Techniker, die Putzleute und die Gastronomie-Mitarbeiter», erklärt Herbert. Das Argument Inäbnits, dass diese Stellen nicht wegfallen, sondern nur neu auf die anderen Standorte aufgeteilt würden, lässt er nicht gelten: «Wie will der Kanton Geld sparen, wenn er nicht Personal abbaut?»
Heinrich Schaefer-Pegoraro, Facharzt für Innere Medizin, der die Ärztegesellschaft Baselland hinter sich weiss, führt an, wie wichtig das Bruderholzspital für die Ausbildung der Hausärzte sei. Hier entgegnet Inäbnit, dass angehende Ärzte besonders profitieren würden von den Fachkenntnissen in der ambulanten Behandlung: Denn der Trend von stationärer zu ambulanter Versorgung sei nicht nur eine allgemeine Entwicklung, sondern auch ein politisches Ziel.
Wie schon beim Streit um die Finanzen kommen beide Komitees bei der Frage der Gesundheitsversorgung mit gegensätzlichen Argumenten zum selben Schluss: So sieht die parteilose Landrätin Regina Werthmüller (Nein-Komitee) die alternde Bevölkerung durch den geplanten geriatrischen und orthopädischen Schwerpunkt in Bottmingen bestens versorgt, während Herbert die Frage stellt, wo denn bei einem abgespeckten Bruderholzspital ein gebrechlicher Notfallpatient aus dem Laufental oder dem Birseck, der sich beim Sturz Rippen gebrochen und mehrere Krankheiten habe, noch hinsolle? Das Laufner Spital wäre ja dann nach dem Willen des Kantons «nicht mehr als eine bessere Hausarztpraxis».