Wie der Lindy Hop den Weg aus Harlem nach Münchenstein fand
Seit 25 Jahren tanzen die «Tickle Toe Hep Cats» Lindy Hop und Boogie-Woogie. Zum Jubiläum findet am kommenden Samstag in Münchenstein eine Tanzparty statt.
Betritt man das Swing-Werk auf dem Walzwerk-Areal, fühlt man sich sofort in die 30er-Jahre zurückversetzt. Ein DJ-Pult, eine Bar und Plakate im Retrolook schmücken den geräumigen Raum. In diesem Studio tanzen die «Tickle Toe Hep Cats» Lindy Hop, Boogie-Woogie und andere Swing-Tänze. Zusätzlich werden Workshops unter der Leitung von Vereinsgründer und Tanztrainer Stephan Joller angeboten.
Ursprünglich war Joller in der Rock-’n’-Roll- und Rockabilly-Szene unterwegs. Eigentlich suchte er aber nach einem ganz bestimmen Tanzstil, den er an verschiedenen Konzerten gesehen hatte. Ende der 80er-Jahre entdeckte er in München den Boogie-Woogie. «Ich war mir sicher: Das ist es!», erinnert sich Joller. Den damit verwandten Lindy Hop entdeckte er per Zufall etwas später in Zürich und besuchte von da an weltweit Lindy-Hop-Workshops.
Irre Filmszene stellt schwedische Tänzer vor ein Rätsel
Lindy Hop entstand Ende der 20er-Jahre zur Musik der Big Bands in den Ballsälen von New York, allen voran dem «Savoy Ballroom» in Harlem. In den 30er-Jahren hielt sich dort Frankie Manning (1914–2009) auf, der den Lindy Hop entscheidend mitentwickelt und geprägt hat. Als Mitglied der Tanzformation «Whitey’s Lindy Hoppers» wirkte er in der berühmten Tanzszene der Filmkomödie «Hellzapoppin’» aus dem Jahr 1941 mit. Mit dem Untergang der Big Bands geriet auch der Lindy Hop in Vergessenheit. «Ende der 80er-Jahre sind Tänzer aus Schweden über die Tanzszene aus Hellzapoppin’ gestolpert und wollten genau so tanzen», erklärt Stephan Joller. Die unglaubliche Präzision und das Tempo der Tanzcrew hätten die Schweden vor ein Rätsel gestellt – auf der Suche nach einem Lehrer seien die Schweden bei ihrer Recherche in New York dann auf Frankie Manning gestossen. Manning, der seit den 50er-Jahren nicht mehr als Tänzer aktiv war, wurde überredet, wieder Workshops zu geben.
Auch Stephan Joller besuchte Kurse beim New Yorker Original: «Manning kam mit dem Gehstock in die Workshops. Sobald Musik abgespielt wurde, legte er den Stock beiseite und tanzte für eine Stunde Lindy Hop», erinnert sich Joller. In New York habe ihn Frankie Manning nach den Workshops sogar schon nach Hause gefahren, erzählt Joller schmunzelnd.
Als eines der ersten Paare tanzten Joller und seine damalige Partnerin in der Region Basel den Lindy Hop und stellten Workshops auf die Beine: 1992 organisierten sie das schweizweit erste Swiss Lindy Hop Weekend – zehn Jahre später nahmen daran im Mittenza in Muttenz bereits über 400 Tänzerinnen und Tänzer teil.
Von Basel aufs Walzwerk-Areal umgezogen
1998 gründete Joller zusammen mit Erika Schriber und Claudio Tambini den Non-Profit-Verein «Tickle Toe Hep Cats». «Der Name ist eine Zusammensetzung aus dem Song ‹Tickle Toe› von Count Basie und dem Slang-Ausdruck ‹Hep Cat›, den man für einen coolen Jazz-Künstler braucht», erklärt Joller. Nachdem der Verein zuerst in Basel aktiv gewesen war, zogen die Swing-Tänzer 2012 auf das Walzwerk. Seit 2015 haben sie dort nun ihr eigenes Studio. Mittlerweile besteht der Verein aus rund 35 Mitgliedern, die regelmässig Lindy Hop oder Boogie-Woogie trainieren. Zusätzlich bietet Joller Mini-Workshops und Anfängerkurse an. Darüber hinaus wird das Tanzstudio ab und zu für verschiedene Anlässe vermietet.
«Uns ist vor allem die Atmosphäre wichtig, die Leute kommen gerne hierher, wir sind offen für alle», erklärt Joller. Jeweils einmal im Monat findet die Friday-Cats-Stomp-Party statt, die sich sowohl an Anfänger als auch an Fortgeschrittene richtet. Am kommenden Samstag findet nun die 25-Jahr-Jubiläumsparty statt, an der Interessierte Swing-Luft schnuppern – und auch gleich mitmachen können.
25 Cat Stomp. Jubiläumsparty. Samstag, 10. Juni, 20 Uhr. Eintritt: 10 Franken. Swing-Werk auf dem Walzwerkareal.
tickletoe.ch.