Über Gehirnverletzungen, Schlafgesundheit und mehr
Die Psychiatrie Baselland bietet im Park im Grünen öffentliche Vorträge an. Mit dem niederschwelligen Angebot sollen unter anderem Vorurteile abgebaut werden.
Einen Termin beim Psychologen oder der Psychiaterin zu kriegen, ist kein leichtes Unterfangen. Die Praxen sind voll, die Wartezeiten lange.
Thomas Lüthi, Leiter Kommunikation und Marketing bei der Psychiatrie Baselland, bestätigt die gesteigerte Nachfrage. «Auch unsere Praxen und Stationen sind voll belegt. Die Menschen nehmen heute bei psychischen Erkrankungen viel eher Hilfe in Anspruch – dazu ist die Sensibilisierung der Bevölkerung in den letzten Jahren gestiegen.» Auch deshalb, weil psychische Erkrankungen nicht mehr so stark stigmatisiert würden, führt Lüthi aus.
Seit 2016 bietet die Psychiatrie Baselland Vorträge zu unterschiedlichen Themen der psychischen Gesundheit an. Das niederschwellige Angebot sei ein wichtiger Teil der Öffentlichkeitsarbeit. Barbara Schunk, CEO der Psychiatrie Baselland, erklärt: «Jede und jeder von uns kann von psychischen Erkrankungen betroffen sein. Entweder direkt oder indirekt, zum Beispiel als Angehörige. Darum bieten wir seit vielen Jahren Vorträge zu häufigen psychiatrischen Krankheitsbildern an, die alle von unseren Fachpersonen gehalten werden.» Das Ziel sei es, zu informieren und zu sensibilisieren; aber auch dazu beizutragen, Vorurteile auszuräumen. «Wir wollen, dass Menschen mit psychischen Erkrankungen offen und tolerant begegnet wird und dass sie nicht stigmatisiert werden.» Die Vorträge erfreuten sich grosser Beliebtheit, sagt Lüthi.
Seit der Corona-Pandemie habe besonders der Live-Stream an Bedeutung gewonnen. Beliebte Themen wie zum Beispiel ADHS konnten im Live-Stream über 20000 Klicks erzielen. «Wenn das Streaming weiterhin zulegt und die Zahlen des Publikums vor Ort zurückgehen, müssen wir uns überlegen, wie wir das Angebot in Zukunft ausgestalten wollen.» Die öffentlichen Vorträge wolle die Psychiatrie Baselland auf jeden Fall auch in Zukunft anbieten.
Rund 130000 Menschen mit einer Hirnverletzung
Die diesjährige Vortragsreihe startete am Dienstag mit dem Titel «Wenn das Gehirn streikt». Die Neuropsychologinnen Melanie van Berkel und Sibylle Puri referierten über Erkrankungen und Verletzungen des Gehirns und deren Folgen. In der Schweiz leben rund 130000 Menschen mit einer Hirnverletzung, etwa 26000 Fälle kommen jährlich hinzu. Bei Kindern und Jugendlichen sind die Zahlen weit weniger genau. Die Forschung gehe von 5000 bis 7000 Patientinnen und Patienten mit neu erworbenen Hirnschädigungen pro Jahr aus, sagt Neuropsychologin Melanie van Berkel und präzisiert: «Allerdings ist nicht klar, ob hier angeborene Hirnschäden auch mitgezählt wurden.»
Der Vortrag der beiden Psychologinnen zielte vor allem darauf ab, einem interessierten Laienpublikum näherzubringen, was die Neuropsychologie anbietet. «Im Gegensatz zu Reha-Einrichtungen behandeln wir zum Beispiel mehr Fälle, bei denen neben der Gehirnverletzung auch psychologische Aspekte vorliegen.» Der erste Schritt sei immer, die Hirnleistung zu untersuchen – unter anderem das Intelligenzniveau, die Aufmerksamkeit oder das Gedächtnis. Das geschieht mittels computergestützten Testverfahren oder Paper-Pencil-Testverfahren. «Aufgrund der Ergebnisse erstellen wir einen individuellen Therapieplan. Das Ziel ist meistens, eine Funktion, die nicht mehr da ist, wiederherzustellen», erklärt van Berkel. Dabei ginge es darum, zuerst die basalste Fähigkeit zu trainieren. «Der Klassiker sind Aufmerksamkeitsstörungen nach Hirnverletzungen. Hier versuchen wir zuerst die Konzentration zu verbessern, da sie für fast alle weiteren Fähigkeiten wichtig ist», führt die Psychologin aus. Die Erfolgsrate sei unter anderem abhängig von der Art der Erkrankung, des Alters des Patienten und der kognitiven Fähigkeiten. Deshalb seien Erfolge nur schwer messbar oder vergleichbar, aber: «Eine Verbesserung der Alltagsfunktionalität muss immer ein Hauptziel der Therapie sein, ist deskriptiv erhebbar und kann auch mit Hilfe von Fragebögen erfasst werden», hebt van Berkel hervor.
Auch bei der Neuropsychologie in der Kinder- und Jugendpsychiatrie ist die Nachfrage gross: Vier Monate beträgt die Wartezeit für ein Erstgespräch derzeit. Die Vorträge der Psychiatrie Baselland bieten einen ersten Eindruck der Behandlungsmöglichkeiten. Die Referate sind online abrufbar. Die Themenpalette reicht von Demenz im jüngeren Alter bis zu Narzissmus.
Der nächste Vortrag zum Thema Schlaf und Schlafhygiene findet am 25. April statt. Die Vorträge werden im Restaurant des Parks im Grünen in Münchenstein gehalten und sind kostenlos.