«Trauer hat kein Verfallsdatum»
Die Mentaltrainerin Alexandra Gubler hat ein Trauer-Café gegründet. Damit will sie einem Thema Raum geben, das in der heutigen Gesellschaft gerne verdrängt wird.
Alexandra Gubler hat als Mentaltrainerin mit Menschen zu tun, die einen Verlust erfahren haben, sich in einem Zustand der Trauer befinden. Das kann sein, weil sie ihren Partner oder eine andere nahestehende Person an den Tod verloren haben oder sich in einer schweren Phase nach einer Trennung befinden. «Trauer braucht Ausdruck. Unsere Gesellschaft gibt ihr aber zu wenig Raum», erzählt Alexandra Gubler, die über 20 Jahre Berufserfahrung mitbringt und in Münchenstein eine Praxis für Persönlichkeitsentwicklung betreibt. Tatsächlich ist Trauer im öffentlichen Leben heute beinahe unsichtbar – während früher etwa Trauerbekleidung über Monate getragen wurde, beschränkt sich das heute, wenn überhaupt, meist auf den Zeitpunkt der Bestattung. Die Trauer hat sich ins Private zurückgezogen. «Dabei ist der Tod doch genauso präsent im einzelnen Leben wie eine Geburt.»
Respekt und Überforderung beim Gespräch mit Trauernden
Jeder Mensch geht unterschiedlich mit Schicksalsschlägen um – je höher die Resilienz, desto besser lassen sich diese verarbeiten. Das Wichtigste im Trauerprozess sei, mit jemandem darüber sprechen zu können, seinen Gefühlen und Gedanken Ausdruck zu geben. «Oftmals ist am Anfang die Anteilnahme gross, aber bald wird erwartet, dass die betroffene Person darüber hinweg ist und wieder im Alltag funktioniert.» Viele Menschen hätten Respekt davor, mit einer trauernden Person zu reden, fühlten sich überfordert. Um Menschen in dieser schwierigen Phase Hand zu bieten, hat Alexandra Gubler das «Offene Trauer-Café» ins Leben gerufen: Es findet immer am ersten Mittwochabend im Monat in der Bücher- und Musikbörse statt – das erste Mal am 5. Februar. «Jeder ist willkommen. Eröffnen werde ich das Treffen jeweils mit einem kleinen Impulsreferat.» Zudem will sie Hilfeleistung bieten: «Eine Person, die gerade frisch einen Verlust erfahren hat, benötigt vielleicht einen anderen Umgang als jemand, bei dem das Ereignis schon etwas zurückliegt.» Ihr Angebot richtet sich auch an Menschen, die einen Verlust anderer Art – sei dies der Verlust einer Beziehung oder eines Tiers – erfahren haben. Das Café diene dazu, Erfahrungen, Ansichten und Erkenntnisse auszutauschen.
Diagnosemanual für psychische Störungen
Auch in den Medien findet die Trauer nur selten Einzug, allerdings gab es 2014 in der «Frankfurter Allgemeinen» einen erhellenden Artikel zum Thema zu lesen. Anlass war ein Diagnosemanual für psychische Störungen der amerikanischen Psychiatrischen Vereinigung, in dem vorgeschlagen wurde, dass bereits zwei Wochen nach dem Tod eines geliebten Menschen Symptome wie Niedergeschlagenheit, Appetitverlust oder sozialer Rückzug als Depression diagnostiziert und entsprechend Medikamente verabreicht werden können. Natürlich erntete diese Pathologisierung der Trauer Kritik unter Fachleuten. Wie lange denn Trauer normal sei? «Die Trauer hat kein Verfallsdatum», sagt Alexandra Gubler. Zu akzeptieren, dass die verstorbene Person nicht wiederkommt, könne bis zu einem Jahr dauern, ist in Fachzeitschriften zu erfahren.
Das Offene Trauer-Café sei ihr «ein Herzensprojekt», wie sie es sagt. Die Teilnahme am Anlass ist kostenlos, Gubler betreibt es ehrenamtlich. Nadja Frigerio, die Leiterin der Bücher- und Musikbörse, war sofort angetan von der Idee, ihr Ladencafé für diesen Anlass zu vermieten. «Nebst Kaffee, Tee und Erfrischungsgetränken kann man auch Fruchtwähen oder eine Suppe konsumieren», sagt Gubler.
Offenes Trauer-Café: jeden ersten Mittwoch im Monat (ausser in den Schulferien), 18.30 bis 20 Uhr, Bücher- und Musikbörse, Emil-Frey-Strasse 159