Das Schaulager spielt Verstecken

Das Kunstdepot der Emanuel Hoffmann-Stiftung war einst vorbild- lich. Nun ist es auf der Suche nach sich selbst.

Gleich oder ungleich? Das bestehende (links) und das neue Schaulager (rechts). Foto: Herzog de Meuron, 2024

Gleich oder ungleich? Das bestehende (links) und das neue Schaulager (rechts). Foto: Herzog de Meuron, 2024

Schaulager 2: überkragende Fassade. Foto: Herzog de Meuron

Schaulager 2: überkragende Fassade. Foto: Herzog de Meuron

Melchior Oeri (30) steht in den Startlöchern. Der jüngste Sohn der Kunstmäzenin Maja Oeri (70) gehört seit diesem Jahr dem Führungsgremium der Emanuel Hoffmann-Stiftung an. Deren Kunstsammlung, die auf den Roche-Unternehmer Emanuel Hoffmann zurückgeht, liegt grösstenteils im Schaulager – und dieses plant eine grosse Erweiterung. Errichtet und finanziert wurde und wird das Schaulager durch die Laurenz-Stiftung, die nach dem verstorbenen Sohn von Maja Oeri benannt ist. Ihre Söhne Hans Emanuel (32) und Melchior hat sie bereits vor zehn Jahren in den Stiftungsrat aufgenommen. Hans Emanuel schied im Frühjahr 2024 jedoch aus, dafür bekleidet Melchior mittlerweile das Amt des Vizepräsidenten. Präsidentin der Emanuel Hoffmann- wie der Laurenz-Stiftung ist Maja Oeri selbst.

Warten auf einen neuen Impuls

In seiner Funktion als Stellvertreter hat sich Melchior Oeri nun im vergangenen Monat erstmals öffentlich vernehmen lassen. Als Echo seiner Mutter durfte er mit ihr die Erweiterung des Schaulagers ankünden. Die PR-Abteilung hat ihm in der Medienmitteilung Sätze (samt ­fehlerhafter Interpunktion und Deklination) zugeschrieben wie: «Die Konservierung der aus unterschiedlichsten und immer neuen Materialien hergestellten Kunstwerken, bringt die Restaurierung auf unerforschte Wege.» Nicht zuletzt auf diese Entwicklung wolle das Schaulager mit einem Erweiterungsbau rea­gieren. Ein frischer Impuls wird dem Schaulager guttun. Als es 2003 eröffnet wurde, war es ein international beachteter Wurf. Ein Kunstlager, das Kunst nicht nur platzsparend stapelt, sondern raumgreifend aufstellt – ohne sie auszustellen. Denn der Zugang ist streng begrenzt auf die Gilde der forschenden Kunstsachverständigen. Nur dosiert werden die Magazine für Führungen geöffnet. Mittlerweile bloss noch im Zweijahresrhythmus werden zudem die Ausstellungsflächen mit Ankäufen bespielt und für das Publikum geöffnet.

Einige Jahre lang hatte die öffentlichkeitsscheue Maja Oeri den Anschein einer tatsächlichen Öffnung erweckt. Die Ausstellungen folgten jährlich, waren brillant und stark beworben, sodass auch ins Schaulager pilgerte, wer sonst um das Kunstmuseum einen Bogen machte. Während der Art Basel errichtete sie 2012 vor der Messehalle einmal sogar einen Schaulager-Satelliten mit der Aufforderung, sich umzusehen. Maja Oeri selbst war dort anzutreffen – und anzusprechen. Doch davon ist keine Rede mehr. Die Ausstellungen sind spärlich geworden und noch stärker auf die eigene Klientel und Befindlichkeit ausgerichtet. Für die kunstaffine Bevölkerung hat Maja Oeri dafür mehr als die Hälfte an den Neubau des Kunstmuseums bezahlt. Was hat sich die Öffentlichkeit um das Schaulager zu kümmern?

Für Oeris Kunstdepot haben die Hausarchitekten Herzog & de Meuron eine Architektur gefunden, die exakt dieser Ambivalenz entspricht. Sich zu zeigen und sich zu verstecken. Ein erdbraun-poröser Betonkasten mit einer ikonisch weissen Eingangsfront im Irgendwo am Rande des Dreispitz-Areals auf Baselbieter Boden. Die spärlichen Fenster sind eher verglaste Risse in der Fassade, die wenig Blick nach aussen und keinen nach innen ermöglichen. Die Architekturdoyens Stanislaus von Moos und Arthur ­Rüegg haben dazu in einer jüngst erschienenen Monografie zu Herzog & de Meuron formuliert: «Das übergreifende Thema ist eine fast perverse Dialektik des Vorenthaltens und Enthüllens.»

Diesem Prinzip folgte auch die Mit­teilung, für die Erweiterung des Schaulagers sei ein Baugesuch eingereicht ­worden. Verschickt wurde sie an einem Mittwochabend um 20 Uhr – eine fast sichere Zeit, um keine Beachtung zu finden. Das Baugesuch, publiziert im Amtsblatt Baselland, war dann überschrieben mit «Lagergebäude mit ­Bistro / gedeckte Auto- und Fahrradabstellplätze / Transformatorenstation» – was angesichts des eigentlichen Bau­programms einer «perversen Dialektik» ebenfalls ziemlich nahe kommt. Die publizierte Baueingabe ist äusserst rudimentär gehalten. Entgegen allen Gepflogenheiten wurden ausser dem Grundriss und den Aussenmassen auch auf Nachfrage keine weiteren Pläne öffentlich ­gemacht. Die bz Basel verlangte von der Baselbieter ­­Bau- und Umweltschutzdirektion ­dafür eine rekursfähige Be­gründung. Im fünfseitigen Schreiben wird vor allem auf die Laurenz-Stiftung verwiesen. Diese meint: «Mit der Veröffentlichung der Architekturpläne würde das Gebäude für Dritte transparent offengelegt und damit die Sicherheit der Kunstwerke gefährdet.»

Neuerfindung oder Verdoppelung?

Das Amt folgt diesem Wunsch der Bauherrin. Es verfügt: «Es ist nicht nachvollziehbar, inwiefern ein öffentliches Interesse an der Detailplanung am Innen­leben des Lagers bestehen soll und das Bauinspektorat eine diesbezügliche Informationstätigkeit von Amtes wegen innehaben sollte.» Eine Ausnahme würde jedoch gemacht, wenn jemand eine Einsprache gegen den Bau machen wolle. Dann werde Einsicht gewährt, teilt das Amt in einem ­E-Mail mit. Damit nicht genug der Widersprüchlichkeit: Denn offenkundig kein Sicherheitsproblem besteht darin, detailliertere Pläne vom bestehenden Schaulager offenzulegen. Sie finden sich nicht bloss auf der Website der Architekten, sondern auch ausführlich in der neu erschienenen Architektur-Monografie. Eine verblüffende Variante, mit der Unentschiedenheit umzugehen, haben die Architekten für die Hülle der Erweiterung gefunden. Denn trotz aller Beteuerung, der Kunstentwicklung entsprechend keine blosse Vergrösserung des Schaulagers zu bauen, entspricht es doch weitgehend einer Verdoppelung des bestehenden Kubus. Der zwischen Alt- und Neubau eingeschobene schwarze Riegel ­signalisiert zwar Trennung, doch bei Lichte betrachtet ist er vor allem ­einem konkreten Umstand geschuldet: Die Parzelle ist so ungünstig geschnitten, dass die Erweiterung leicht versetzt zum Bestand errichtet werden muss.

Wirklich anders ist bloss die neue ­Vorder- beziehungsweise Rückseite des Schaulager-Komplexes gestaltet. Den Vorplatz des Altbaus dominiert eine mit einem Pförtnerhaus charmant gebrochene Betonwüste, und in der grossen Fassade sind technoid grosse Bildschirme eingelassen. Der neue Vorplatz signalisiert eine Parklandschaft mit einladendem Café im einstöckigen Pavillonstil. Dieser Wandel ist symptomatisch für die neu entdeckte Naturliebe der Architekten. Für die weisse und überkragende Fassade des Neubaus haben sich die Architekten des eigenen Fundus bedient: Ganz ähnlich sind Fassadenelemente beim Miu-Miu-Store in Tokio oder rheinseitig am ­Asklepios-Bau auf dem Novartis Campus gestaltet.

Eine Perspektive für die Zukunft

Das eigentlich Raffinierte des architektonischen Konzepts ist seine Zukunftsfähigkeit: Sollte eines Tages tatsächlich hinter dem Schaulager mit einem Uni-Campus ein neues Stadtquartier auf Münchensteiner Boden entstehen, lässt sich das Vorne und das Hinten des Schau­lagers einfach austauschen. Aus dem Hintereingang wird der Vordereingang. Es ist dies ein Plan für die ferne Zukunft. Denn einen Zeitplan für die Entwicklung des hinteren Dreispitz-Areals gibt es nicht. Doch auch beim Schaulager laufen die Uhren gemächlich. Die Ausstellungen für 2025 (Steve McQueen) und 2027 (Anri Sala) sind bereits fixiert. Zeit auch für Melchior Oeri, den Generationenwechsel zu vollziehen und den Umgang des Schaulagers mit der Öffentlichkeit neu zu finden.

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