Träume, Avatare und manipulierte Gesichter

Streifzug durch digitale Welten: Die aktuelle ­Ausstellung im HEK zeigt Kunstwerke, die durch Zusammenarbeit im ­virtuellen Raum ­entstanden sind.

Unbekannte Kunstschaffende: Die Kunstfigur La Turbo Avedon existiert ausschliesslich als Avatar in der digitalen Welt – niemand weiss, wer dahintersteckt. Foto: ZVG
Unbekannte Kunstschaffende: Die Kunstfigur La Turbo Avedon existiert ausschliesslich als Avatar in der digitalen Welt – niemand weiss, wer dahintersteckt. Foto: ZVG

Wie üblich ist der Ausstellungsraum im Haus der elektronischen Künste zurzeit ein wahrer Schaukasten modernster Technologie, der Besucher zum Berühren, Interagieren und Entdecken einlädt. Eine Virtual-Reality-Brille baumelt von der Decke, während Bildschirme lebhaft flackern. Zwischen dieser Hightech-Ausstattung finden sich jedoch auch traditionelle Kunstformen wie Skulpturen und Ölgemälde.

Die Ausstellung «Collective Worldbuilding – Kunst im Metaversum», die noch bis Mitte August läuft, präsentiert Kunstprojekte, die das Ergebnis einer Zusammenarbeit im virtuellen Raum sind. Welche Form diese Zusammenarbeit annimmt, variiert von Werk zu Werk. Gemein ist aber allen Projekten, dass sie das Potenzial moderner Technologien erforschen. Um dem Publikum einen leichteren Zugang zu diesen Technologien zu ermöglichen, wurde dem Saalblatt der Ausstellung ein Glossar hinzugefügt, das die wichtigsten Begriffe erklärt.

Ein Beispiel für die virtuelle Zusammenarbeit liefert die Berliner Künstlerin Katharina Haverich, die sich in ihrer Arbeit von Träumen inspirieren lässt. «Träume sind ein super Material. Sie sind edel und haben was von Diamanten, sie sind ganz pur», schwärmt die Künstlerin. So startete sie vor zwei Jahren einen Online-Aufruf: «Do you have violent dreams against men?» Mit den Frauen, die sich darauf meldeten, führte sie Interviews in einem virtuellen Chatraum durch. Diese Gespräche können in einer Videoinstallation verfolgt werden. Zudem schuf die Künstlerin eine virtuelle Welt, die von diesen Träumen inspiriert wurde. Mithilfe einer Virtual-Reality-Brille kann diese Welt besucht werden.

Weder männlich noch weiblich

Auch das Werk von La Turbo Avedon lädt zur Zusammenarbeit ein: Das Kunstwesen hat zwölf digitale Artefakte, die «Materia Collection», geschaffen. Dabei handelt es sich um sogenannte Non-Fungi­ble Tokens (NFTs), also um digitale Werke, die einem klaren Besitzer zugeordnet werden können. Mit diesen lässt sich die von La Turbo Avedon geschaffene virtuelle Welt beeinflussen: Es lassen sich Formen, Materialien und Farben der künstlichen Welt verändern. Bemerkenswert dabei ist, dass es sich bei La Turbo Avedon um ein Wesen handelt, das ausschliesslich als Avatar im digitalen Raum vorkommt und somit jenseits von männlichen und weiblichen Kategorien existiert. Selbst das Kuratorenteam, bestehend aus Sabine Himmelsbach und Boris Magrini, weiss nicht, welche Person oder Personen sich hinter der Kunstfigur verstecken.

Das Werk von Lea Ermuth setzt sich mit der Frage auseinander, wie die Welt der sozialen Netzwerke und die persönliche Identität interagieren und sich gegenseitig prägen. Dazu scannte die Künstlerin im Zuge einer Live-Performance ihr eigenes Gesicht ein und liess das Publikum dieses Modell mithilfe von Software manipulieren. Diese Modelle wurden dann aus Terrakotta mit einem 3D-Drucker erstellt und können nun in der Ausstellung betrachtet werden. Auf einem Bildschirm kann nachvollzogen werden, wie das Gesicht mithilfe der Software verändert wurde.

Krypto-Brunches für Technologieinteressierte

Die aktuelle Ausstellung wurde im Rahmen des Projekts «HEK Connect – kulturelle Teilhabe im Zeitalter eines dezentralisierten Internets» ins Leben gerufen. Im Zentrum dieses Projekts steht der Einfluss, der die Blockchain-Technologie auf das Internet hat – eine Technologie, die bei Kryptowährungen oder den oben erwähnten NFTs verwendet wird. Dazu die Kuratorin Sabine Himmelbach: «Ich glaube, dass diese Technologie das Internet revolutionär verändern kann, und wenn man Teil davon sein möchte, ist es wichtig, dass man sie versteht.»

Um auch einem breiteren Publikum den Zugang zu diesen Technologien zu ermöglichen, veranstaltet das HEK jeden zweiten Monat sogenannte Krypto-Brunches, bei denen die Technologien den Teilnehmenden nähergebracht werden.

«Collective Worldbuilding – Kunst im Metaversum». Haus der Elektronischen Künste. Freilager-Platz 9. Geöffnet Mi bis So, 12  bis 18 Uhr. Bis 13. August. hek.ch

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