Logik und rationales Denken helfen nicht immer weiter

Freiwillige der Stiftung Hofmatt werden im ­Umgang mit Demenz­erkrankten geschult. Das soll helfen, das Wohl­befinden der Betroffenen zu verbessern.

Eher auf die emotionale Ebene eingehen: Im Austausch mit demenzerkrankten Menschen
müssen nicht alle Aussagen nach dem Wahrheitsgehalt hinterfragt werden. Foto: Pixabay
Eher auf die emotionale Ebene eingehen: Im Austausch mit demenzerkrankten Menschen müssen nicht alle Aussagen nach dem Wahrheitsgehalt hinterfragt werden. Foto: Pixabay

Rund die Hälfte der Menschen, die in der Stiftung Hofmatt in Münchenstein ihren Lebensabend verbringen, weisen Symptome einer Demenz auf. Durch das Absterben von Nervenzellen im Gehirn kommt es, wie es im Fachjargon heisst, zu einer demenziellen Entwicklung – die Betroffenen werden vergesslich, scheinen orientierungslos, verwirrt. Eine Entwicklung, die bisher nicht umkehrbar ist und in verschiedenen Stadien abläuft.

Noch vor wenigen Jahrzehnten wurde in der Altersmedizin versucht, den an Demenz erkrankten Menschen mit Logik zu begegnen, sie auf ihre mutmasslich falschen Aussagen hinzuweisen. In den 1970er-Jahren entwickelte die amerikanische Gerontologin Naomi Feil eine Methode, die einen ganz anderen Ansatz verfolgt: Die «Validation nach Feil» geht davon aus, dass Aussagen und Verhalten von Menschen in einer demenziellen Entwicklung jederzeit gültig, also valid sind. In den 1990er-Jahren verbreitete sich dieser Ansatz auch in Europa. Die Schweizer Stiftung «Alois und Auguste» fördert und finanziert unter anderem Projekte, welche die Lebenssituation von Betroffenen verbessern. Aktuell finanziert sie für freiwillige Helferinnen und Helfer in der Stiftung Hofmatt und im Spital- und Pflegezentrum Adullam in Basel dreitägige Weiterbildungskurse in der «Validation nach Feil».

«Die Kurse werden von unseren Freiwilligen besucht, die regelmässig Kontakt mit Menschen in einer demenziellen Entwicklung haben. Sei dies beim Singen, im Garten oder beim Kochen», sagt Pascal Ehrat, der in der Stiftung Hofmatt die Freiwilligenarbeit koordiniert. Der Kurs wird in diesem und im folgenden Jahr jeweils zweimal durchgeführt: «Darunter sind Pensionierte, die sich eine sinnvolle Tätigkeit wünschen, oder auch Berufstätige, die gerne zusätzlich etwas tun», so Ehrat weiter. Einzige Voraussetzung, um am Kurs teilzunehmen: Die Freiwilligen müssen seit mindestens drei Monaten in der Stiftung Hofmatt im Einsatz sein.

Lebensqualität und Selbstwertgefühl zurückgeben

Madlen Richter, Leiterin Medizinische Querschnittsdienste an der Adullam-Stiftung Basel, leitet die Kurse zusammen mit einer Kollegin: «Wir hinterfragen nicht den Wahrheitsgehalt von dem, was Betroffene sagen, sondern nehmen die Aussagen so, wie sie sind», sagt Richter. Weiter veranschaulicht sie: «Wenn eine 90-jährige Betroffene den Wunsch äussere, nach Hause zu ihrer Mama gehen zu wollen, sollten Helfende oder Angehörige nicht versuchen, den Sachverhalt logisch zu widerlegen, sondern auf der emotionalen Ebene auf das Gesagte eingehen: «Die Absicht, die eigentlich verstorbene Mutter zu besuchen, kann ein Wunsch nach Nähe und Geborgenheit sein.» Mit Logik oder rationalen Diskussionen sei Menschen mit einer Demenz nicht beizukommen, «denn ist es doch genau das, die Logik, die bei Betroffenen nicht mehr funktioniert». Die Methode «Validation nach Feil» sei dabei ein Hilfsmittel, um die Kommunikation mit Menschen in einer demenziellen Entwicklung zu verbessern. «Sie ist keine Bibel, doch hilft sie, Betroffenen ihr Selbstwertgefühl und ihre Lebensqualität zurückzugeben. Aus Erfahrung können wir sagen, dass sie nachweislich das Wohlbefinden steigert und Stress verringert.»

Wie das Erlernen einer Sprache

Der Basiskurs stattet die Freiwilligen mit einem soliden Grundwissen aus. «Dabei arbeiten wir auch mit Rollenspielen. Letztendlich ist es bei der Methode wie beim Erlernen einer Sprache: Sie muss immer wieder im Alltag eingesetzt und reflektiert werden.» Wurde Demenz noch vor 100 Jahren als Altersblödsinn abgetan, gilt sie heute als eine anerkannte Erkrankung, Betroffene werden von einer Lobby gestützt, die sich um ihre Belange kümmert. Auf die Frage an Richter, was sie Angehörigen im Umgang mit der Erkrankung ihrer Nahestehenden rät, sagt sie: «Da der Mensch in einer demenziellen Entwicklung nicht mehr die Einsicht für die Probleme der anderen aufbringen kann, ist es für Angehörige wichtig, sich mit Menschen auszutauschen, die sich in einer ähnlichen Situation befinden.»

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