Dem Wahlbüro verschrieben
Nach dreissig Jahren ist Schluss: Urs Gerber, langjähriger Präsident des Wahlbüros Münchenstein, tritt zurück. Im Gespräch erzählt er von seinen Erfahrungen.
Die Abstimmungen vom vergangenen Wochenende waren die letzten, die unter der Aufsicht von Urs Gerber in der Gemeinde Münchenstein durchgeführt wurden. «Es passt einfach alles: Ich bin siebzig und nun schon dreissig Jahre hier.» Mit «hier» meint er das Wahlbüro Münchenstein, das er während der letzten zehn Jahre präsidierte.
Gerber zeigt auf eine Kiste, voll mit gebündelten Stimmcouverts. «94 Prozent der Wähler stimmen heutzutage per Post ab.» Die Couverts werden ab Samstagabend geöffnet, «aber ausgezählt wird erst am Sonntag, nachdem die Urne geleert worden ist». Die Auszählung geschieht in mehreren Schritten: Erst wird nach Vorlage sortiert, dann nach Stimme. Das heisst, pro Vorlage gibt es je einen Stapel für «Ja», «Nein», «Enthaltung» und «Ungültig». «Bei der Sortierung wird immer nach dem Vier-Augen-Prinzip vorgegangen», erklärt Gerber. Es arbeiten also immer zwei Personen zusammen, zudem sind bei den Auszählungen die Leute parteipolitisch durchmischt. Dies führe mal zu faulen Sprüchen, aber auch zu interessanten Diskussionen. Die Stapel werden schliesslich von zwei Maschinen ausgezählt, wobei jeder Stapel doppelt gezählt wird, um Fehler zu vermeiden.
Liegen gebliebene Couverts verändern Wahlergebnis
Sollte eine Auszählung besonders knapp werden, wird das gesamte Prozedere wiederholt. Dies war zum Beispiel bei der Abstimmung über die vanBaerle-Überbauung vor einem Jahr der Fall. Damals waren zehn Stimmen ausschlaggebend. «Da haben wir dreimal von A bis Z alles wiederholt: Also dreimal auseinandersortiert und dreimal haben wir das durch die Maschine gelassen», sagt Gerber dazu. Das Resultat sei aber immer dasselbe gewesen.
Trotz aller Vorsicht ist es aber auch schon zu Fehlern gekommen. Bei einer Gemeinderatswahl vor ein paar Jahren wurden zuerst etwa 150 Stimmcouverts nicht ausgezählt. «Die sind auf der Post liegen geblieben», erzählt Gerber mit Bedauern. Am Montagmorgen wurden die Stimmcouverts jedoch entdeckt. «Man musste dann am Montagabend nochmals durchzählen. Schlussendlich war am Montag ein anderer Gemeinderat gewählt als am Sonntagabend.» Die betroffene Person sei entsprechend enttäuscht gewesen, habe das Resultat aber akzeptiert. Die Leute würden dem demokratischen Prozess vertrauen. Auch wenn ein Resultat knapp ausfällt, die Arbeit von Urs Gerber oder seinen Mitarbeitern sei noch nie angezweifelt worden.
Einen demokratischen Entscheid gilt es zu akzeptieren
Währenddessen die Menschen in der Schweiz dem demokratischen Prozess weitgehend vertrauen, wird dieser in anderen Ländern allerdings machtpolitisch missbraucht. Gerber ist erschüttert über die aktuellen Scheinabstimmungen in der Ostukraine. «Es gibt mir zu denken. Ich habe Bilder gesehen in Luhansk und Donezk mit den durchsichtigen Wahlurnen. Logischerweise wird da mit Ja abgestimmt.» Hingegen sei «das System in der Schweiz sehr gut. Der Bürger kann seine Meinung frei äussern». Hier gebe ihm eher die zum Teil geringe Wahlbeteiligung zu denken. Zudem findet Gerber, dass in einer Demokratie auch Niederlagen akzeptiert werden müssen – auch wenn diese knapp ausfallen. Im Hinblick auf die aktuelle Diskussion um die Anschaffung von Kampfjets meint er: «Da wurde knapp entschieden, dass wir die Flieger wollen und dem Bundesrat die Evaluation überlassen.» Das soll man nun so hinnehmen. Er sei mit dem Resultat der vanBaerle-Abstimmung auch nicht zufrieden gewesen, habe es aber schlussendlich doch akzeptiert.
Der leidenschaftliche Sportler freut sich nun erst einmal auf Segelferien mit Freunden. Zudem ist er im Vorstand von zwei Seniorenvereinen engagiert. «Langweilig wird es mir nicht», meint er schmunzelnd.