Wie steht es um die Zukunft der Menschenrechte?
Im KunstRaumRhein in Dornach diskutierten Christoph Spenlé und Carl Jauslin über ihr gemeinsames Buch zum Thema «Internationaler Menschenrechtsschutz», was eine lebhafte Publikumsdebatte auslöste.
Im gemütlich eingerichteten Saal des KunstRaumRhein warteten am Freitagabend zwei besondere Gäste auf das kleine, aber sehr interessierte Publikum. Christoph Spenlé und Carl Jauslin wurden von Präsidentin Dorothee Deimann und Geschäftsführer Simon Mugier des KunstRaumRhein eingeladen, um im Rahmen der Veröffentlichung ihres Repetitoriums «Internationaler Menschenrechtsschutz» zu eben diesem Thema zu sprechen. Spenlé ist stellvertretender Chef der Sektion Menschenrechte in der Direktion für Völkerrecht des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA). Sein Co-Autor Jauslin ist Jurist beim Bundesamt für Justiz und doktoriert an der Uni Basel mit einer rechtsphilosophischen und völkerrechtlichen Arbeit zum Thema Solidarität. Nach einer kurzen Begrüssung durch Geschäftsführer Mugier begannen die beiden Referenten mit ihren Ausführungen. Jauslin nannte die Schweizer Ratifizierung der Europäischen Menschenrechtskonvention im Jahr 1974, die sich in diesem Jahr zum 50. Mal jährt, als passenden Anlass, um die aktuellen Herausforderungen im Bereich der Menschenrechte zu thematisieren. «Der Begriff ‹Menschenrechte› ist heute allgegenwärtig und wird in Debatten schnell zu den unterschiedlichsten Themen aufgegriffen. Das birgt die Gefahr, dass der Begriff an Bedeutung und Tragkraft verliert», so Jauslin. Er erklärte, was das im historischen Kontext Neue und Revolutionäre an der Erfindung der Menschenrechte sei: «Sie gelten überall, immer und für alle Mitglieder der sogenannten ‹Menschheitsfamilie› und sind nicht wie im Mittelalter an eine Standeszugehörigkeit geknüpft.» Er warnte gleichzeitig vor aktuellen politischen Bestrebungen, die mit der Vorstellung eines homogenen «wahren Volkes» versuchen, die Menschenrechte und die Demokratie gegeneinander auszuspielen. Jauslin dazu: «Die Idee der Menschenrechte ist etwas, das gepflegt werden muss.»
Schutz oder Abwehr gegen den Staat?
Spenlé brachte einige interessante Fragen auf: Sind Menschenrechte wirklich «Rechte» oder nicht eher ein Appell? Und an wen richten sie sich überhaupt – sind sie ein Abwehrrecht gegen den Staat oder mehr ein Schutz der Menschen untereinander? Die Antworten auf diese und weitere Fragen blieben aufgrund der Komplexität des Themas oft bei einem klassischen «sowohl als auch». Umso klarer benannte er die vier Kernelemente der Menschenrechte: Sie sind individuell, angeboren, unveräusserlich und universell. Interessanterweise gebe es nur fünf Staaten, darunter Bhutan, Tonga und Tuvalu, die weniger als fünf der zentralen Menschenrechtskonventionen unterzeichnet hätten. Das bedeute aber nicht, dass diese Werte dort nicht geteilt würden, sondern dass vielleicht die nötigen institutionellen Organe und Prozesse vor Ort nicht vorhanden seien. Aber auch wenn sich Staaten für bestimmte Menschenrechte und deren Interpretation stark machten, müsse man aufmerksam sein und genau hinschauen, was die möglichen Motive dafür sein könnten, erklärte Spenlé. So hält China das «Recht auf Entwicklung» im Kontext der «Harmonie im Staat» hoch und rechtfertigt damit die staatliche Überwachung der Bevölkerung oder die Unterdrückung von Minderheiten.
«Menschenrecht auf eine gesunde Umwelt»
Nach dem Input von Spenlé und Jauslin wurde die Runde geöffnet und es zeigte sich, dass sie vor einem durchaus fachkundigen Publikum sprachen. Die Beiträge reichten von Fragen zu einem möglichen Verbot der Hamas bis hin zu rechtsphilosophischen Überlegungen zum Thema Individuum und Menschenwürde. Schlussendlich blieben mehr Fragen als Zeit übrig. Mehrere Wortbeiträge widmeten sich jedoch dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zum Fall der Klimaseniorinnen. Damit verbunden ist die Forderung nach einem «Menschenrecht auf eine gesunde Umwelt». Spenlé meinte dazu: «Diesbezüglich gibt es viel Dynamik und das Thema ist hochaktuell.» Auf Ebene der Europäischen Union würden solche Diskussionen bald vermehrt eine Rolle spielen. Wie sich die Schweiz dann dazu verhalten werde, bleibe abzuwarten, meinte Spenlé mit einem leichten Schmunzeln zum Schluss.