Neuer Pinocchio erobert Dornach und München
«Pinocchio Or What Is Real» ist als neue Produktion vom «Theater Junges M» an der Dornacht zu sehen. Gezeigt wird Jugendtheater in Bestform.
Es ist nicht übertrieben zu sagen: Ein kurzer Blickkontakt genügt, und Sandra Löwe, die seit bald 20 Jahren das «Theater Junges M» künstlerisch und organisatorisch leitet, zieht einen in ihren Bann. Den Journalisten, der für das Wochenblatt zu einem Probenbesuch für das neue Stück «Pinocchio Or What Is Real» eingeladen wurde, lässt sie nicht einfach auf der Zuschauerbank sitzen und zuschauen, sondern zieht ihn, stets den Blickkontakt suchend, in die Geschichte hinein. Es ist eine konzentrierte Energie, die Löwe, wenn sie den jungen Schauspielern Anweisungen gibt, ausstrahlt – gebannt folgen diese den Ausführungen der Theaterleiterin.
Bevor die neue Produktion am 10. März ihre ordentliche Premiere feiert, ist sie im Rahmen der Dornacht am 9. März als öffentliche Vorpremiere zu sehen. Die dem Stück zugrunde liegende Geschichte «Die Abenteuer des Pinocchio» von Carlo Collodi dreht sich um das Thema Sozialisation: Eine Holzpuppe lernt durch allerlei Erfahrungen, sich dem Verhalten und den Normen der Erwachsenen anzupassen, um schliesslich durch Liebe eine Menschwerdung zu erfahren.
Das Ensemble um Sandra Löwe zeigt eine eigene Bearbeitung des Kinderbuches. Die Geschichte zeigt einen eigenwilligen Pinocchio, der als Träumer, Narr und Nichtsnutz das Leben bestreitet. Die jungen Schauspieler verkörpern dabei nicht einfach eine fixe Rolle, sondern agieren selbst als Teil der Erzählung, stellen Zustände dar und erreichen eine Bühnenpräsenz, die mit jener erfahrener Schauspielerinnen und Schauspieler gut mithalten kann.
Oase der Konzentration
Es sind vorwiegend Laien, die an den Produktionen vom «Theater Junges M» mitspielen. Das Theaterensemble ist eine eigene Institution, aber als dauernder Gast mit dem Neuen Theater eng verbunden. «Es ist unsere Heimstätte», sagt Sandra Löwe. Die Schauspielerinnen und Schauspieler sind in der Regel zwischen 14 und 28 Jahre alt.
Für Felix Schröder etwa ist es die erste Bühnenerfahrung: «Es ist ein spannender Prozess, der auf Augenhöhe stattfindet. Dass jemand wie ich, der ohne Erfahrung ist, an einem solchen Projekt mitmachen darf, ist eine grosse Freude.» Selina Randegger, die vor ihrem Studium schon bei einem Zirkus mitgespielt hatte, lernte Sandra Löwe im Rahmen eines Tanzkurses kennen: «Ich hatte sofort den Eindruck, diese Frau ist speziell, ich muss mit ihr reden. So bin ich zur Gruppe gekommen.» In einer oft hektischen, schnelllebigen Zeit scheint das Theater für die jungen Menschen eine Oase der Konzentration zu sein.
Die Gruppe zählt
Sandra Löwe, die mit dem Neuen Theater seit Jahren verbunden ist, auch als Mitglied des Ensembles auf der Bühne gestanden hat, wurde einst von jungen Leuten, die eine Theatergruppe gebildet hatten, angefragt, ob sie ein Jugendtheater leiten möchte. «Eigentlich wollte ich das nie», sagt sie rückblickend. Trotzdem sagte sie zu, und mit den Jahren entstand ein gefestigtes Ensemble, in dem teilweise auch Profischauspieler mitwirkten.
Auf die Frage, wer bei ihrem Theaterkurs mitmachen könne, sagt sie: «Ich nehme nicht jeden.» In einem Gespräch versuche sie herauszufinden, ob jemand zur Gruppe passe. «Dabei geht es nicht in erster Linie um schauspielerisches Können. Ich mache kein Casting.» Löwe ist selbst Schauspielerin und Regisseurin mit internationaler Erfahrung, und so verwundert es auch nicht, dass das junge Ensemble im April auch an einem Theater in der Nähe von München zu sehen sein wird.
«Pinocchio Or What Is Real». Junges Theater M. Aufführungen am 10., 11., 12., 17., 18. und 19. März.
Neues Theater. neuestheater.ch