«Ich vermisse den Profifussball nicht»
Ex-Profi Mohamed Coulibaly karrt jetzt Druckerpatronen durch die Gegend und verhilft dem SC Dornach nebenbei zum Aufstieg.
Jeden Morgen verlässt Mohamed Coulibaly um 7.30 Uhr das Haus. Nach knapp zehn Jahren als Profifussballer in der Schweiz, in England und Spanien hat der 33-Jährige jetzt einen ganz normalen Job. Als Logistiker karrt er in Muttenz Druckerpatronen und anderes Büromaterial durch die Lagerhallen, nimmt Bestellungen an und verteilt diese. «Jetzt merke ich, dass das Leben als Profi wirklich locker war», sagt Coulibaly und lacht. Den Wechsel ins Berufsleben hat er bewusst und der Familie zuliebe getan, und nach knapp einem Jahr konstatiert er: «Es gefällt mir ganz gut. Ich vermisse den Profifussball nicht.»
Eigentlich hat Coulibaly eine Ausbildung als Buchhalter abgeschlossen. Dass er jetzt als Logistiker eine 100-Prozent-Anstellung erhalten hat, liegt am SC Dornach. Beim Klub aus der 2. Liga interregional ist «Momo», wie ihn hier alle nennen, weiterhin auch fussballerisch aktiv. Als Amateur ohne jeglichen Lohn, aber mit grossem Erfolg. 21 Tore in 21 Partien hat er geschossen und damit massgeblich zur komfortablen Tabellenführung in der Gruppe 3 beigetragen.
«Momo ist sehr wichtig. Über seine fussballerische Qualität müssen wir nicht reden. Dazu ist er ein toller Mensch, zu dem die jungen Spieler aufschauen», erklärt sein Trainer Dejan Rakitic. Und Sportchef Nino Nigro ergänzt: «Momo hat einen sehr grossen Anteil am aktuellen Erfolg. Sportlich, aber auch menschlich.»
Egal, mit wem man spricht: Alle heben hervor, was für ein angenehmer Zeitgenosse Coulibaly ist. «Er sagt nicht viel. Aber wenn er den Mund aufmacht, hat das Hand und Fuss und die Mitspieler hören zu», sagt Nigro. Und Rakitic lobt: «Obwohl er als Ex-Profi ein anderes Niveau gewohnt ist, hadert er nie und zieht jeden Sprint auch im Training voll mit.» Eine Einstellung, die auch auf die Mitspieler abfärbt.
Viele Stunden im Zug und immer in Kontakt
Dass Coulibaly im vergangenen Sommer in Dornach gelandet ist, hat zwei Gründe. Der Hauptgrund ist die Familie. Seine Frau ist Baslerin. Anfänglich begleitete sie den Fussballer, doch seit der Geburt der Kinder lebt die Familie wieder in Dornach. Von Vaduz aus pendelte Coulibaly so oft wie möglich mit dem Zug zurück. «Ich war sehr, sehr viele Stunden mit dem GA unterwegs», sagt er und lacht.
Der zweite Grund ist Sportchef Nigro. Er war im Sommer 2011 Trainer der 1. Mannschaft des SC Dornach, die damals in der 1. Liga spielte, als Coulibaly entdeckt und geholt wurde. Der damals 22-jährige Senegalese, der in Frankreich 45 Minuten für Gueugnon in der Ligue 2 als Profi gespielt hatte und nach einer langwierigen Sprunggelenkverletzung im grenznahen St. Louis 5. Liga spielte, «schlug damals grausam ein», wie Nigro erzählt.
Der Kontakt ist trotz der kurzen ersten Zeit Coulibalys in Dornach nie abgerissen. «Die Chemie stimmt», sagt Nigro, der sich gerne an jene Tage zurückerinnert. Nach einem Spiel im Schweizer Cup gegen Tuggen, das Dornach mit 0:3 verlor, erhielt Coulibaly Angebote vom FC Thun und den Grasshoppers und kurz darauf unterschrieb er beim Rekordmeister. Bei GC kam der Stürmer zwar nur zu zehn Einsätzen. Doch er feierte auch seinen grössten Titel. 2013 sass Coulibaly auf der GC-Bank, als seine Hoppers in Basel Cupsieger wurden.
Im Anschluss wechselte er auf die Insel. Dort spielte Coulibaly für Bournemouth (8 Einsätze), Coventry (6) und Port Vale (4) in der 2. und 3. Liga Englands. Doch wegen Verletzungen kam die Karriere ins Stocken. «Rückblickend war das echt schade, weil ich sonst vielleicht ein Premier-League-Spieler geworden wäre», sagt er.
Über Racing Santander (63 Spiele/9 Tore) und Logroñés (8/4) kam er 2017 zurück in die Schweizer Liga, wo er in Vaduz seinen zweiten Frühling erlebte und in 125 Spielen 48 Skorerpunkte beisteuerte. In der Barrage 2020 gegen Thun avancierte er mit zwei Toren zum Matchwinner. Doch nach einer Saison in der Super League entschloss sich Coulibaly, mit 32 Jahren seine Karriere zu beenden und sich mit der Familie – seine Tochter und sein Sohn sind fünf und zwei Jahre alt – in Dornach niederzulassen. Es folgte eine SMS an Nigro und wenig später hatte Coulibaly einen Job und ist nun Teil des Teams.
Shisha-Rauchen für den Aufstieg
Trainer Dejan Rakitic, der seinen Vertrag unlängst verlängert hat, sagt: «Wir haben eine gute Truppe, die auch neben dem Platz viel gemeinsam unternimmt, in den Ausgang oder Shisha-Rauchen geht. Dieser Zusammenhalt ist sehr wichtig für den sportlichen Erfolg.» Auch Coulibaly schätzt seine neuen Teamkameraden. Bei der Frage, ob es für ihn im Amateurfussball einfacher sei, Tore zu erzielen, schmunzelt er und sagt dann: «Taktisch und spielerisch ist das schon ein grosser Unterschied und darum einfacher. Aber trotzdem musst du immer alles geben. Das ist eine Frage des Respekts.» Sein Spiel hat er etwas umgestellt. «Ich nutze meine Erfahrung, um zur richtigen Zeit am richtigen Platz zu sein. Aber ich bin auch physisch immer noch auf der Höhe und stehe nicht nur im Sechzehner.»
Das Seniorenteam um die anderen Ex-Profis Marco Streller und Alex Frei ist noch kein Thema. Zunächst will Coulibaly mit der 1. Mannschaft Dornachs aufsteigen und das dann auch «gut feiern», wie er sagt. Aber übertreiben wird er es nicht. Denn am nächsten Morgen warten die Druckerpatronen.