Ein begnadeter Geschichtenerzähler zu Besuch in Gempen
Am letzten Freitag bot der Literat und Kabarettist Franz Hohler dem Publikum im Gustav-Ritter- Saal in Gempen einige tiefgründige und humorvolle Müsterchen seines narrativen Könnens.
Fans von nah und fern strömten schon ab 19 Uhr in den neuen Saal der Sonnhalde, um einen der produktivsten Schriftsteller der Schweiz zu hören.
Nach der Begrüssung durch Simone Cairoli von der Kulturkommission Gempen moderierte Elisabeth Kutzli das Programm an. Zuerst las Hohler aus seinem neuen Buch «Der Enkeltrick». Die Titelgeschichte handelt von der alten Frau Amalie Ott, die beinahe auf den Enkeltrick hereinfällt, aber sich resistent gegen alle inneren und äusseren Warnungen zeigt. So fährt sie mit ihren 20 000 Franken nach Rom, um ihre Enkelin Cornelia zu suchen. Plötzlich fühlt sie sich wieder jung, unternehmungslustig und neugierig, wobei sie den eigentlichen Grund für ihre Reise fast vergisst. Schliesslich landet der Umschlag mit dem Geld durch Glück und die Umsicht der Polizei doch noch bei Cornelia, die aber gar nicht im Gefängnis sitzt, sondern schwanger ist und sich über den Zustupf für ihre Zukunft freut. Hohler ist ein Meister der paradoxen Handlungsführung und der feinen Pointen. Gleich wird er gefragt, ob die Geschichte denn wahr sei. «Nein, nein, alles erstunken und erlogen», sagt Hohler verschmitzt, aber die Geschichte zirkuliere jetzt als Enkeltrick-Prophylaxe bei der Polizei.
Beziehungen zum Schwarzbubenland
Hohler verwies auf sein Werk «Der Weltuntergang», das 1973 entstanden und 1982 verfilmt worden ist. Bereits 1972 habe er den ersten Bericht des «Club of Rome» gelesen. Alles auf der Welt hänge mit allem zusammen. «Man konnte es damals schon wissen», so Hohler.
Hohler ist für die meisten ein Begleiter seit den 1960er-Jahren, aber die wenigsten wussten und wissen, dass der künstlerische Tausendsassa seine ersten vier Jahre in Seewen zugebracht hat. In «Das Kirschblütenfest» in seinen «52 Wanderungen» hat er eine Wanderung von Nuglar bis Büren verewigt. Nach seiner frühen Kindheit zog er mit seinen Eltern nach Olten, wo er aufwuchs.
Hohler kannte Albin Fringeli, der das Jahr- und Heimatbuch «Dr Schwarzbueb» herausgab, und seinen Sohn Dieter noch persönlich. «Ich habe Albin als engagierten ‹Schwarzbueb› in Erinnerung. Für ihn war ‹Dr Schwarzbueb› ein Herzensanliegen», sagte Hohler.
Im Gegensatz zu anderen Schweizer Autoren, die oft eitel ihr eigenes Image pflegen, ist Hohler stets auf dem Boden geblieben. Der grossartige Erzähler, der insgesamt 28 Preise eingeheimst hat, scheut sich nicht, auch launige Kinderverse zu schreiben und immer wieder politisch Stellung zu nehmen. Seine Kreativität kennt keine Grenzen und keinen intellektuellen Rückzug in den Elfenbeinturm.
Abgründig bis heiter
Später am Abend las Hohler aus seinem Buch «Fahrplanmässiger Aufenthalt» die tiefgründige Geschichte «Nach Europa», in der er einen Schweizer Bergsee mit der Schlepperproblematik im Mittelmeer verbindet, skurril und gleichzeitig verstörend. Er sinnierte über die «Allmählichkeitsschäden» bei Kunstwerken und zeigte sich glücklich, endlich einen passenden Ausdruck für seine eigene Hinfälligkeit gefunden zu haben.
Herrlich dann «Der Geburtstagskalender», in dem der Rentner Eduard sich der neuen Tätigkeit als «Gratulant» hingibt und am Ende den Geburtstag seiner eigenen Frau vergisst. Den Abschluss der Lesung machte sein Satz: «Ich bin gerne Dichter, lebender Dichter!»
Doch Hohler liess es sich nicht nehmen, noch einige Tiergedichte aus seinem Kinderbuch «Am liebsten ass der Hamster Hugo Spaghetti mit Tomatensugo». Jetzt musste Franz Hohler seinen Fans Autogramme in die zahlreich aufgelegten Bücher geben, wobei er sich Zeit liess, auch noch etwas zu plaudern. Insgesamt ein denkwürdiger Kulturabend im 900-Seelen-Dorf Gempen.