«Die Kirche braucht in diesen nicht einfachen Zeiten Kontinuität»
Die evangelisch-reformierte Kirche sollte wieder über inhaltliche Fragen diskutieren – das wünscht sich Evelyn Borer, die erneut zur Synodepräsidentin der Landeskirche gewählt wurde.
Die Dornacherin Evelyn Borer soll die Evangelisch-reformierte Kirche Schweiz (EKS) in ruhigere Gewässer steuern, weshalb sie – und das ist ein Novum – ein zweites Mal zur Präsidentin der Synode und damit zur höchsten Reformierten der Schweiz gewählt wurde. «Ich freue mich sehr über das Vertrauen, das mir entgegengebracht wird», sagt Borer, einst Gemeinderätin in Dornach, Solothurner Kantonsrätin und Präsidentin der SP Kanton Solothurn. Die Wiederwahl möglich gemacht hat das neue Synodereglement der EKS: «Die Kirche braucht in diesen nicht einfachen Zeiten Kontinuität.» Trifft man die 62-Jährige im Kirchgemeindehaus am Gempenring in Dornach, lässt sich nachvollziehen, weshalb ihr als eine Art Versöhnungsfigur das Vertrauen ausgesprochen wurde – sie wirkt engagiert, aber nicht geltungssüchtig, direkt, aber nicht frech. «Der Schutz der persönlichen Integrität ist ein Thema, das uns in der Synode weiter beschäftigen wird», kündigt Borer an.
Vor zwei Jahren hatte der Fall Gottfried Locher, der mit Missbrauchsvorwürfen konfrontiert wurde und deshalb als Präsident der Synode der EKS samt Büro zurücktrat, für Unruhe gesorgt. Wie privatwirtschaftliche Unternehmungen will die EKS Richtlinien schaffen, um solche Fälle künftig zu vermeiden. Damit soll auch Platz für andere Themen geschaffen werden, welche die Kirche beschäftigen: «Wir haben in der vergangenen zwei Jahren viel über interne Strukturen diskutiert. Es wird nun Zeit, dass inhaltliche Themen erörtert werden.» Dazu gehöre etwa die Frage, wie eine Pfarrausbildung in Zukunft aussehen soll oder wie sich die Kirche zu gesellschaftlichen Fragen positioniert. Zur Ehe für Alle sagt Borer etwa: «Wir als Kirche müssen einen Rahmen schaffen, um das zu ermöglichen.»
Mit der Kirche aufgewachsen
Die Synode ist gewissermassen die Legislative, also das Parlament der Evangelisch-reformierten Kirche, weshalb Borer als Präsidentin damit die höchste Reformierte der Schweiz ist. In ihrer Position kann Borer die Früchte ihrer vielfältigen Erfahrungen ernten, denn Zeit ihres Lebens war sie mit der Kirche verbunden: «Nicht in dem Sinne, dass wir tiefgläubig gewesen wären. Aber meine Geschwister und ich sind mit der Kirche aufgewachsen, haben mit ihr gelebt», erzählt sie. Sowohl ihr Grossvater wie auch ihr Vater waren im Kirchgemeinderat. Heute ist sie in Dornach Kirchgemeindepräsidentin und in der Kantonalkirche Solothurn seit 2020 Präsidentin des Synodalrates. Angesprochen auf die Frage, wie sie all ihre Tätigkeiten unter einen Hut bringe, sagt sie: «Es hilft, dass sich die Themen ergänzen.» Zudem sei es trotz den Engagements wichtig, sich Freiräume zu schaffen: Mit ihren zwei erwachsenen Töchtern geht sie deshalb regelmässig wandern oder walken. «Und meine ältere Tochter hat zwei Söhne, die ich jede Woche betreue.»
In der Region verwurzelt
Borer ist zwar die höchste Schweizerin, wenn es um die reformierte Kirche geht, doch ihr Herz schlägt für Dornach und die Region: «Obwohl Dornach zum Kanton Solothurn gehört, fühlt man sich hier mit den basellandschaftlichen Nachbargemeinden und Basel verbunden.» Ihr kirchlicher und politischer Werdegang ist eng mit Dornach verzahnt.
Gerade am vergangenen Freitag feierte die Evangelisch-reformierte Kirchgemeinde Dornach-Gempen-Hochwald ihr 70-jähriges Bestehen. In Ihrer Begrüssung zum Jubiläumsgottesdienst sagte Borer: «Wir wollen zurückschauen und betrachten, worauf unsere Mauern gebaut sind. Und wir wollen vorwärts gehen und diskutieren, wohin unser Weg führen soll.»