Altwerden geht alle etwas an
Auf Einladung des Kranken- und Hauspflegevereins Dornach-Gempen-Hochwald führte die Theatergruppe Reactor ein Stück zum Thema Alter auf. Das Publikum konnte auf das Geschehen Einfluss nehmen.
Geht es ums Altwerden und letztlich ums Sterben, wird häufig der Wunsch geäussert, einfach einschlafen zu können. Dass dies in der Realität nur selten zutrifft, Älterwerden mit schwerwiegenden Veränderungen und manchmal auch Leiden verbunden ist, scheint ein offenes Geheimnis. Dabei ist es ein Thema, das alle Menschen angeht. Der Kranken- und Hauspflegeverein Dornach-Gempen-Hochwald hat im Rahmen seines Herbstanlasses die Basler Theatergruppe Reactor eingeladen, das Forumtheater «Letzte Schritte» am vergangenen Donnerstag in der Aula der Schule Brühl aufzuführen. Beim Forumtheater handelt es sich um eine ursprünglich aus Brasilien stammende und heute weltweit verbreitete Methode des interaktiven Theaters, das gesellschaftliche sowie politische Themen auf die Bühne bringt und das Publikum zur offenen Interaktion und Teilhabe auffordert.
Wünsche werden oft übergangen
Rund 60 Personen – viele davon Fachkräfte aus dem Alters- und Pflegebereich sowie Angehörige – waren zur Aufführung von «Letzte Schritte» gekommen. Dabei brachte sich das Publikum aktiv ins Geschehen ein: Als etwa die betagte Elsa, die Protagonistin des Stücks, ihr Befinden dahin gehend mitteilte, ihr Leben abgeschlossen zu haben und für das Sterben bereit zu sein, intervenierte die Pflegefachfrau heftig – eine Reaktion, die seitens des Publikums nicht goutiert wurde. Eine Zuschauerin – wie es sich herausstellt eine Mitarbeiterin der Spitex – bot sich an, die Szene anders darzustellen. Dabei kam ein Spiel heraus, das sich radikal vom ursprünglichen unterschied: Hatte die Pflegefachfrau in der ersten Version Elsa zurechtgewiesen, zeigte die Version aus dem Publikum viel Empathie – Elsas Sterbewunsch wurde ernst genommen.
Überhaupt lässt «Letzte Schritte» erkennen, wie Wünsche von älteren Menschen oftmals übergangen werden – nicht selten fehlt die Zeit, sich wirklich mit ihnen auseinanderzusetzen. Manchmal verlören Betagte beim Eintritt in ein Pflegeheim auch noch den Rest ihrer Selbstständigkeit, wie ein Mann aus dem Publikum über seinen Vater berichtete, der an Demenz erkrankt war. «Ich fand es beeindruckend, wie offen die Menschen über ganz persönliche Dinge berichteten», sagt Karin Morf, Kommunikationsverantwortliche des Kranken- und Hauspflegevereins. Der Verein, der früher Aufgaben der heutigen Spitex wahrnahm, stellt noch heute Angebote für kranke und pflegebedürftige Menschen zur Verfügung, damit diese möglichst lange und gut zu Hause leben können. Er sieht sich zudem auch als Netzwerk und Austauschplattform.
Nähe zwischen Schauspielerin und Protagonistin
«Ich bin immer selbstständig gewesen. Mein ganzes Leben lang. Und ich hatte mir vorgestellt, dass das auch so bleibt», sagt Protagonistin Elsa, deren Lebenssituation in vier Szenen im Alter zwischen 79 und 91 Jahren dargestellt wird. «Schauspielerisch geht es darum, die Altersabschnitte passend darzustellen. Das heisst, physisch und mental langsamer sowie unsicherer zu werden», sagt Ruth Marx, die für die Darstellung der Elsa zum ersten Mal in einer Hauptrolle auf der Bühne steht. «Ich bin selbst 75 Jahre alt, also nahe am Alter Elsas. Das Thema hat mich interessiert. Ich sehe die Entwicklung ja an mir selbst, bin ich doch jetzt anders, als ich es mit 60 Jahren war.»
Die Nähe zum Thema sieht sie auch als Grund dafür, dass sie kaum nervös gewesen sei. «Zehn Minuten vor Beginn des Stücks sage ich einfach: ‹Ciao Ruth, hallo Elsa!› » Das Stück stammt aus der Feder des Basler Autors und Regisseurs Roland Suter. Er hat dieses gemeinsam mit der Theatergruppe Reactor einstudiert.