Wie Hohler die Erde erschuf
Um eine coronakonforme Lesung der Gemeindebibliothek zu organisieren, fand diese im Dom statt. Statt auf der Bühne stand Franz Hohler an der Kanzel und begeisterte wie eh und je.
Es scheint, als ob die Organisatorinnen einen direkten Draht zu Bundesrat Alain Berset haben. Just auf den 31. Mai wurden die Coronamassnahmen gelockert, sodass keine Tickets zurückgenommen werden mussten, sondern insgesamt 100 Liebhaberinnen und Liebhaber des feinsinnigen Humors die Lesung des beliebten Schweizer Autoren besuchen durften. Wie alte Freunde stellte die frisch pensionierte Leiterin der Gemeindebibliothek Kathi Jungen den 78-jährigen Franz Hohler vor und hoffte, er möge «alle Register ziehen». Diesem Wunsch kam der Wortakrobat gerne nach. Er betrat «die Bühne» als Königin Corona mit Perücke und Krönchen und legte los. Das Publikum zog er sogleich in seinen Bann und mit der Schöpfungsgeschichte erreichte er auch die vielen kleinen Engel, welche den Dom zieren. Es war, als ob sie ihre Münder zu einem Lachen verzogen, als Hohler die Schöpfungsgeschichte vorlas, bei der Gott eine Gemüsekiste voller Erbsen bekam. Am siebten Tag seien einige Erbsen zerplatzt und die Kugeln schossen ins Nichts hinaus, wo sie sich gegenseitig umkreisten und so das Weltall schufen. Auf einer der Erbsen sollen sich später allerlei Lebewesen entwickelt haben und ihn, Gott, als Schöpfer verehren. Es störte Gott nicht, aber er grüble noch bis heute, wer zum Teufel ihm diese Gemüsekiste hingestellt habe.
Allmählichkeitsschäden
Neben den grossen weltlichen Themen widmete Franz Hohler sich dem kleinen Getier im Untergrund mit liebevollem Blick. Seine Geschichten nehmen plötzlich unerwartete Wendungen und eine Assel wird zur Kundschafterin oder eine Ameise zur Liebesbriefschreiberin. Dass die Umwelt ihm schon lange eine Herzensangelegenheit ist, zeigt auch sein «Weltuntergang», den er 1983 geschrieben hat und der bis heute an Aktualität nichts eingebüsst hat. Mit einem unglaublichen Tempo trug er im Sprechgesang das Stück vor und klopfte dabei mit Fingerkuppen und Händen den Takt. Er müsse es aber jedes Mal vorher wieder einüben, gesteht er in seiner erfrischenden Art. Das Publikum hatte er zu jeder Zeit im Griff. Aber was ist von Franz Hohler auch anderes zu erwarten? Der Kabarettist und Autor steht seit 1965 auf der Bühne und seine Schaffenskraft ist nach wie vor ungebrochen. Obwohl ihn das eine oder andere Zipperlein schon plage, wie er im Text «Allmählichkeitsschaden» zugibt. Dies sei ein Wort, welches er in einer Versicherungspolice entdeckt habe. Es gefalle ihm als Ausdruck für die abnehmende Sehkraft, die Ablagerungen in den Schultern oder die Schmerzen in den Knien. Das Aufseufzen im Publikum zeigte Hohler, dass er nicht der Einzige ist, der an Allmählichkeitsschäden leidet. Genau wie das Gefühl, mit jemandem zu reden, an dessen Namen man sich nicht erinnern könne und ständig überlege, ob genügend Gesprächsstoff vorhanden sei. Wer kennt das nicht? Aber nur Franz Hohler kann diese Alltagsepisoden so herrlich in Worte fassen.
Mit dieser Lesung von Franz Hohler geht auch die Ära Kathi Jungen in der Gemeindebibliothek zu Ende. Bereits sind aber die nächsten Lesungen organisiert und mit Monika Gschwind hat das Team eine bestens ausgewiesene Leiterin. Und falls Sie die eine oder andere Geschichte nachlesen möchten, finden Sie viele Bücher von Franz Hohler in der Gemeindebibliothek.