«Unsere Elite ist nicht in der Politik vertreten»

Der freisinnige Baselbieter Alt-Ständerat und Staatsrechtler René Rhinow äusserte sich am Neujahrsapéro der FDP Arlesheim kritisch und scharfsinnig zum politischen Zeitgeschehen.

Hat immer noch etwas zu sagen: Der Baselbieter Alt-Ständerat René Rhinow äusserte sich am vergangenen Donnerstag im «Polit-Talk» mit dem Arlesheimer FDP-Präsidenten Balz Stückelberger kritisch über das heutige Wesen der Politik.  Foto: Lukas
Hat immer noch etwas zu sagen: Der Baselbieter Alt-Ständerat René Rhinow äusserte sich am vergangenen Donnerstag im «Polit-Talk» mit dem Arlesheimer FDP-Präsidenten Balz Stückelberger kritisch über das heutige Wesen der Politik. Foto: Lukas Hausendorf

Lukas Hausendorf

Er sei froh, nicht mehr in der Politik zu sein, sagt René Rhinow. Der emeritierte Professor, der lange an der Uni Basel Staatsrecht lehrte, vertrat das Baselbiet von 1987 bis 1999 für die FDP im Ständerat und darf zu den profiliertesten Persönlichkeiten des Schweizer Freisinns gezählt werden. Auch nach dem Rückzug aus der aktiven Politik blieb der heute 70-jährige mit seinen scharfsinnigen Analysen zum politischen Zeitgeschehen ein viel beachteter Publizist. Rhinow teilte seine erhellenden Betrachtungen zu gegenwärtigen politischen Fragen am vergangenen Donnerstag anlässlich des Neujahrsapéros der FDP Arlesheim mit der interessierten Öffentlichkeit.

Allzu zuversichtlich klang er dabei nicht. Die Mediatisierung und zunehmende Polarisierung habe die Politik mittlerweile zu einem Profilierungsgeschäft verkommen lassen. Die in seinen Augen zunehmende Abhängigkeit der Politik von den Medien habe denn auch zur Folge, dass immer weniger qualifi-
zierte Köpfe eine politische Karriere anstreben. Eine Entwicklung, an der nicht nur die FDP krankt, die einen Mangel an unabhängigen Geistern, die heute als Abweichler in Verruf gebracht werden, zu verkraften hat. Rhinow selbst darf getrost als Abweichler betrachtet werden. Schliesslich zog er 1987 als Ökoliberaler in den Ständeratswahlkampf. Eine Spezies, die vom Freisinn völlig vernachlässigt wurde, der sich von der Umweltpolitik völlig verabschiedet hat. «Das war ein grosser Fehler», so Rhinow. Ein Fehler, dessen Konsequenz die Grünliberale Partei ist, die die FDP weiter geschwächt hat.

Anspruchsdenken hat ausgedient

Der Alt-Ständerat äusserte sich aber nicht nur zu den Ursachen des Niedergangs der Freisinnigen. Ortsparteipräsident Balz Stückelberger, der den Polit-Talk souverän moderierte, achtete auch darauf, dass aktuelle Baselbieter Themen wie die anstehende Regierungsratsersatzwahl nicht zu kurz kamen. Einen Tipp, wen sie wählen sollten oder wer denn die besten Chancen hat, konnte Rhinow nicht abgeben. Den bürgerlichen Kandidaten Thomas Weber (SVP) kenne er nicht, darum gebe er kein Urteil ab, sagte er. Dass der SVP im Sinne der Konkordanz in der Regierung vertreten sein solle, vertrete er durchaus, «aber es ist nicht der Sitz alleine, sondern es muss auch ein Band der gemeinsamen Überzeugungen sein», gab er bezüglich des zu wählenden Kandidaten zu bedenken. Auf die Parteizugehörigkeit dürfe man heute aber nicht mehr so viel geben. «Das Volk achtet stärker auf die Köpfe», ist Rhinow überzeugt. Das hätte zuletzt auch die Stadtratswahl in Liestal gezeigt.

Kantonsfusion jein

Auch ein Thema, das dieses Jahr hohe Wellen schlagen wird, ist die Initiative für die Kantonsfusion beider Basel. Eine Vorlage, die auch die FDP spaltet. Im progressiven Unterbaselbieter Flügel der Partei dürfte sie nicht wenige Freunde haben, ganz anders im oberen Kantonsteil. René Rhinow ist mit seiner Weder-noch-Haltung das perfekte Abbild dieses ideologischen Grabens, der Partei und Bevölkerung durchzieht. «Dieses Jahr würde ich Nein stimmen. Aber wenn die Zusammenarbeit der beiden Kantone im Stillstand verharrt, sage ich doch Ja», kündete er an. Und sprach damit das eigentliche Problem an. Man müsste sich unabhängig von der Fusionsinitiative endlich mal Gedanken machen, wie die festgefahrene Partnerschaft der Kantone verbessert werden könne. Rhinow mangelt es da nicht an Ideen. Vielleicht mögen ihm die Regierungsräte beider Basel mal zuhören.

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