«The Anthology»: Ein Spiegel menschlicher Abgründe

Im Jahr 2015 gedenken wir nicht nur des Endes des Zweiten Weltkriegs, sondern auch der 70 Jahre nach der Befreiung des KZ Auschwitz. Das Neue Theater am Bahnhof bringt dazu einen Doppelabend.

Soeben erst aus Israel angereist: Moni Yosef (l.) und Smadar Yaaron spielen in «The Anthology».  Foto: Thomas Brunnschweiler
Soeben erst aus Israel angereist: Moni Yosef (l.) und Smadar Yaaron spielen in «The Anthology». Foto: Thomas Brunnschweiler

Thomas Brunnschweiler

Das Stück «The Anthology» des Acco Theatre Center Israel, das gestern Premiere hatte, ist kein Stück über den Holocaust. Es spielt im Hier und Jetzt, setzt sich mit Ängsten, Hoffnungen, Vorurteilen und offenen Fragen des Menschseins auseinander. Es ist die Geschichte einer Shoah-Überlebenden (Smadar Yaaron), die mit ihrem eigenen Schatten lebt. Der rote Faden ist die Musik. Sie liefert den Erzählstrang, in dem der 40-jährige neurotische Sohn (Moni Yosef) die zweite Rolle spielt.

Meist sitzen die Schauspieler auf einem Flügel, der mitten im Publikum steht. Das intime, collageartige Stück wurde 1996 uraufgeführt und international gefeiert. Smadar Yaaron und Moni Yosef stehen nicht gemeinsam auf der Bühne, weil sie eine gemeinsame Ideologie verbindet. Im Gegenteil: In vielen Fragen haben sie äusserst kontroverse Ansichten. Was sie verbindet, sind die Kunst, die Offenheit des Fragens und die Sehnsucht nach einer besseren Welt.

Im Stück geht es um die Konflikte zwischen den Generationen, zwischen Israel und der arabischen Welt, zwischen den aschkenasischen und sephardischen Juden. Es soll aber auch gezeigt werden, dass in uns allen ein Faschist oder ein Hassender lebt. «Wir wollen der Spiegel für das Publikum sein», sagt Moni Yosef, der die Meinung vertritt, dass erst die ganze Welt zivilisiert werden müsse, bevor einzelne Konflikte gelöst werden können. Die beiden Akteure machen relevantes, interaktives Theater, das von einer Textbasis ausgeht, aber ansonsten der Improvisation offen steht.

Allgemein menschliche Fragen
Das Stück «Asche zu Asche» von Harald Pinter wird von der 1983 in Tel Aviv geborenen Hannan Ishay zur Aufführung gebracht. Die Produktionsleitung hat Jonas Darvas. Jan Viethen und Yael Schüler spielen zwei Menschen, die sich mit den Ereignissen der Welt, mir ihrem Privatleben, ihrer Beziehung, mit der Vergangenheit und ihrer Identität auseinandersetzen müssen.
Das 1996 entstandene Werk wurde in Basel auf Deutsch erstaufgeführt und kehrt jetzt gleichsam in die Region zurück.

Das Stück spielt – ähnlich wie «The Anthology» – im Hier und Jetzt, zugleich aber auch in einem Konzentrationslager oder im syrischen Bürgerkrieg. Harald Pinter, der 2005 den Literaturnobelpreis erhielt, war im Austeilen nie zimperlich. Er nannte im Zusammenhang mit dem Irakkrieg George W. Bush einen «Massenmörder» und Tony Blair einen «irregeführten Dummkopf». Aber sowohl in «The Anthology» wie auch in «Asche zu Asche» geht es nicht um Politik im engeren Sinne, sondern um Fragen des Menschseins. Am Samstag und Sonntag hat man Gelegenheit, beide Stücke hintereinander zu sehen.

Neues Theater am Bahnhof, Stollenrain 17: Premiere «Asche zu Asche», Sa, 7. März, 19.30 Uhr (Doppelabend mit «The Anthology»). Weiterer Doppelabend: So, 8. März, 18.00 Uhr. «Asche zu Asche»: 12. März./14. März., je 20 Uhr; 15. März, 18 Uhr.

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