Seit 100 Jahren prägend für Arlesheim
1924 wurde der Sonnenhof gegründet. Wie viele Institutionen dieser Art steht auch er heute im Spannungsfeld zwischen Tradition und neuen Herausforderungen.
Wir stehen in einer Grossküche. Hier wird gerade das Dessert für den Abend vorbereitet. Fein säuberlich schält Luca* einen Apfel; eine Schälmaschine erleichtert ihm die Arbeit. Stolz zeigt er sein glänzendes Resultat – Luca spricht nicht, er kommuniziert mit Gebärden. Der 32-Jährige arbeitet sowohl in der Küche als auch in der Polsterei des Sonnenhofes. Die Institution für Menschen mit Beeinträchtigungen bietet neben Angeboten zur Tagesgestaltung auch Wohngruppen, eine Schule und Kitas an.
Pionierleistung vor 100 Jahren
Der Sonnenhof blickt auf eine eindrückliche Geschichte zurück. 1924 gründete Ita Wegman das klinisch-therapeutische Institut in Arlesheim auf anthroposophischen Grundlagen. Diese vollkommen neue Art der Medizin und Heilpädagogik war weltweit einzigartig.
Über die Jahrzehnte wandelte sich die Institution stark. Auf dem Hauptgelände, wo in den 1920er-Jahren an der Oberen Gasse alles mit einem Wohnhaus begann, sind heute Büroräume, eine Wohngruppe, diverse Tagesgestaltungsangebote sowie eine Schule zu finden. Die meisten Wohngruppen befinden sich jedoch ausserhalb des Geländes im Dorf. Die Klientinnen und Klienten sind dadurch auch viel in Arlesheim unterwegs. «Es war von Anfang an das Ziel, dass die Menschen nicht in einer abgeschotteten Organisation leben, sondern ein aktiver Teil der Dorfgemeinschaft sind», erklärt Frieder Recht, der den Sonnenhof gemeinsam mit Florence Kaeslin leitet. Selbstredend sei die Inklusion nicht immer reibungslos abgelaufen: «Vor 30 Jahren etwa war es den Bewohnenden des Sonnenhofes noch verboten, am Wochenende in der Ermitage spazieren zu gehen – die Menschen würden stören, hiess es damals. Es bringt also auch Herausforderungen mit sich, wenn man mitten im Dorf situiert ist. Da ist Nachbarschaftspflege wichtig.»
260 Menschen finden im Sonnenhof einen Ort, an dem sie wohnen, zur Schule gehen und Arbeiten können. Dabei deckt die Institution alle Altersklassen ab: «Vom drei Monate alten Kind bis zum hochbetagten Menschen mit Unterstützungsbedarf – wir betreuen eine breite Palette an Klientinnen und Klienten», erzählt Recht. Das sei in der Form einzigartig in der Region.
Finanzielle Probleme
Kann eine Institution über 100 Jahre hinweg bestehen, muss sie einiges richtig gemacht haben. Dennoch: Finanziell steht es um den Sonnenhof derzeit nicht rosig, das gibt Frieder Recht unumwunden zu. Eine Anpassung der Strategie sei unumgänglich. «Wir haben nun gemeinsam einen Wandel angestossen. Dabei müssen wir jeden Prozess anschauen.» Auch eine neue Vision haben Verwaltungsrat und Gesamtleitung formuliert: «Leben gestalten. Weil Mensch sein mehr ist.»
Was bleiben wird: «Dass wir die Menschen empathisch, mit Respekt und Achtung begleiten. Die Schweiz hat die UN-Behindertenrechtskonvention unterschrieben. Wir leisten bei der Umsetzung einen wichtigen Beitrag. Aber es ist noch ein weiter Weg, bis Vielfalt wertgeschätzt wird und nicht Angst auslöst», sagt Co-Leiterin Florence Kaeslin.
Auch um Grenzen abzubauen, bietet der Sonnenhof zum Jubiläum ein vielfältiges Programm an. So gibt es neu einen interaktiven Spaziergang, auf dem die Geschichte und Geschichten an 15 Stationen erlebbar sind. Und wer im Café Wunderbar einkehrt, kann vielleicht sogar ein Dessert von Luca geniessen.