Ein Spaziergang für die eigenen Gedanken
Am Freitag fand in der Trotte eine Kulturveranstaltung zum Thema Literatur und Musik statt. «Ein Tag und jeder andere» liess dem Publikum viel Raum für eigene Interpretationen.
Mit der Veranstaltung «Ein Tag und jeder andere» hielten Caspar Reimer, Daniel Costantino und Michael Bürgin am vergangenen Freitag erstmals in Arlesheim einen Literaturabend ab. Ins Leben gerufen habe dieses Format Costantino, der in Bern bereits mehrfach Lesungen organisiert habe, erläutert Reimer. Der Auftritt in der Trotte war somit eine Premiere, die zu wiederholen die drei Autoren bestrebt seien.
Mittels wechselnder Sprecher und musikalischer Intermezzos sorgte der Leseabend für entschleunigte und dennoch abwechslungsreiche Unterhaltung. Ziel sei dabei das Feiern der Schönheit der Sprache, führt Reimer aus. Mit viel Wortwitz wurden politische wie gesellschaftliche Themen kritisch beleuchtet. Im Zentrum standen dabei oft das Hamsterrad der kapitalistischen Leistungsgesellschaft sowie die Massentierhaltung – Themen, die alles andere als amüsieren und doch durch einzelne Wortspiele gelegentlich Lacher provozieren konnten.
Für mehr Leichtigkeit zwischen diesen schweren Themen sorgten jeweils Reimers Beiträge. Der leidenschaftliche Autor gab an, dass sein persönliches Anliegen besonders darin bestehe, die Besucher zu unterhalten und ihnen ein Abendprogramm zu bieten, in dem Kunst und Kultur im Zentrum stünden.
«Wer’s nicht versteht, schaut halt in die Röhre»
Den Einstieg bildete ein Gedankenspaziergang durch Reimers Tätigkeit als Journalist, an der er die Auffassung problematisiert, der Autor müsse den Leser dort abholen, wo er stehe. Er wisse doch gar nicht, wo der Leser stehe. Ob er überhaupt stehe oder nicht sitze oder liege. Und wenn er ihn abholen müsse, impliziere dies doch auch, dass er ihn irgendwo hinbringen solle.
In humoristischer Weise skizzierte Reimer so die kritische Komponente eines Anspruchs, der in den meisten Fällen mehr Spekulation und eitler Wunsch bleibe, als tatsächlich praktikabel oder realistisch zu sein. Er sei «Produkt eines Schreibtischtäters oder gar einer Schreibtischtäterin», kommentierte Reimer. Die Ausführungen schlossen mit dem Fazit: «Wer’s nicht versteht, schaut halt in die Röhre.» Damit distanzierte er sich bewusst vom Anspruch, als Journalist stets allen Ansprüchen gerecht werden zu müssen. Aber auch vom eitlen Selbstbild, als Autor in paternalistischer Weise die Leserschaft aufzuklären und das Denken anderer zu betreuen. Reimer machte damit deutlich, dass zur schriftstellerischen Tätigkeit nicht nur die Gesellschaftskritik, sondern ebenso die Selbstkritik gehört und dass ohne jene selbstkritische Betrachtung die eigene Tätigkeit in selbstherrliche Auswüchse mündet.
Dem entgegen thematisierte Daniel Costantino insbesondere die weltverbessernde Funktion des Schriftstellers, wobei er zum Schluss gelangte, dass ironischerweise die ideale Welt des Schriftstellers eine Welt ohne Grund zum Schreiben wäre. Damit schloss Costantino an eine jahrhundertealte Debatte an, die nach der Aufgabe des Schriftstellers und dessen Produkt fragt und deren abschliessende Beantwortung letztlich dem Zuhörer und der Zuhörerin überlassen bleibt.
Pluralistische Themen
Klar wurde: Der Literaturabend von Reimer, Costantino und Bürgin behandelte tiefgreifende Themen, wollte etwas sagen und dabei doch beschwingt bleiben. Auf die Frage hin, wem denn die Rolle des Verantwortlichen zukäme, antwortete Reimer, dass alle gleichberechtigt an diesem Projekt teilnähmen. Dies zeichnete sich auch an den pluralistischen Themen und Auffassungen ab, die durch die verschiedenen Akteure behandelt wurden. Damit war der Literaturabend gekennzeichnet durch viel Abwechslung, zu welcher nicht zuletzt die musikalischen Zwischenspiele beitrugen.
Dass einzelne Texte unter Umständen nicht in ihrer Tiefe oder teilweise vielleicht auch gar nicht verstanden wurden, ist ein Fazit des vergangenen Freitags, der keinen entmutigen sollte, sich selbst ein Bild vom Literaturabend zu machen. Die Wortspiele, die Tiefe der Themen und die poetische Sprache, die vieles im Dunklen lässt, lassen genau damit nämlich viel Raum für eigene Gedanken und Interpretationen.