Noch 15 Zentimeter bis Rio
Der Stabhochspringer Marquis Richards hat mit einem gelungenen Video eine erfolgreiche Crowdfunding-Aktion für seinen Weg an die Olympischen Spiele von Rio de Janeiro gestartet.
Edmondo Savoldelli
Der Arleser Marquis Richards ist der amtierende Schweizer Meister im Stabhochsprung. Aber – um es salopp zu sagen – er kann auch Video, und zwar ziemlich gut. Um seinen Traum zu verwirklichen, mit der Schweizer Delegation nach Rio fahren zu können, hat er auf der Internet-Plattform «I believe in you» ein humorvolles Video hochgeladen, das geradezu Lust macht, den Spitzensportler in seiner Qualifikationsphase finanziell zu unterstützen. Erstaunlich ist, dass das Video in allen Aspekten von Richards selbst realisiert wurde: Idee, Produktion, Kamera, Schauspiel, Schnitt und Nachbearbeitung sind alle aus seiner Hand und kostenfrei entstanden. Ohne zu viel zu verraten: Hauptakteur in dem vergnüglichen Filmchen ist nicht der Sportler selbst, sondern sein Arbeitsgerät. Aber sehen Sie selbst: Der Link ist auf <link http: www.marquisrichards.com external-link-new-window>www.marquisrichards.com zu finden.
Natürlich bietet Richards jedem Spender ab mindestens 20 Franken auch eine Gegenleistung. Je nach Betrag sind da möglich: eine Autogrammkarte, die Namensnennung oder das Logo auf der Stabtasche (hergestellt aus einer Lastwagenplane), ein Trainingsbesuch oder ein Nachtessen. Aber auch ein kompletter Sponsorvertrag ist möglich. Richards, der seit letztem Herbst auch beruflich voll auf den Sport setzt, macht transparent, wozu er das eingenommene Geld verwenden will. Alleine die geplanten fünf Wochen Trainingslager in Portugal und Italien kosten Tausende Franken. Die Website ibelieveinyou.ch ist übrigens von Sportlern für Sportler gemacht: Die beiden Olympiateilnehmer Mike Kurt (Kanu) und Fabian Kauter (Fechten) haben sie zusammen mit dem Online-Spezialisten Philipp Furrer entwickelt.
Die magische Zahl: 5,70 Meter
«Fünfundfünfzig», antwortet Marquis Richards auf die Frage nach seiner derzeitigen PB, der persönlichen Bestleistung. Richards blickt auf ein sportlich und gesundheitlich unbefriedigendes Jahr 2015 zurück. Gleich gegen zwei Virenerkrankungen hatte er zu kämpfen und Fieberschübe verhinderten einen erfolgreichen Wettkampf bei Weltklasse Zürich. Die Strassenevents in Langenthal und Arlesheim musste er gar absagen. Nach einem Monat kompletten Trainings- und Wettkampfstopps konnte er schliesslich wieder langsam mit dem Aufbau beginnen – und ist jetzt ganz im Zeitplan, die geforderte Qualifikationshöhe von 5,70 Metern bis zum Stichtag am 11. Juli schaffen zu können.
Ab 20. März geht es zunächst für zwei Wochen mit seinem Trainer Anatoly Gordienko und weiteren Athleten nach Lissabon und danach für drei Wochen nach Formia in Italien, dem internationalen Stabhochspringer-Zentrum. «Dort gibt es die aussergewöhnliche Gelegenheit, mit Witali Petrow, dem Trainer von Serhij Bubka und Jelena Issinbajewa, zu arbeiten», freut sich Richards. Bubka und Issinbajewa waren für viele Jahre bis zu ihrem Rücktritt die dominierenden Athleten im Stabhochsprung. «Es ist gut, mal von jemand anderem einen Input zu bekommen», erklärt Richards, «obwohl Gordienko und Petrow aus der gleichen Schule kommen, sich gut kennen und in ihren Anweisungen keine grossen Unterschiede bestehen.»
Ab Mai folgt dann für Richards die entscheidende intensive Wettkampf-phase, während welcher er die Qualifikationshöhe für Rio schaffen will. Er könne nicht sagen, dass er die Siebzig im Training schon drauf habe, sagt Richards, denn er sei ein Wettkampftyp, der im Training nie so hoch springe. Mindestens zehn Wettkämpfe in ganz Europa will der für den TV Arlesheim startende Athlet bestreiten.
Und dann finden vom 5. bis 21. August die Olympischen Spiele statt, mit der Qualifikation der 32 Stabhochspringer für den Final der besten zwölf, unter ihnen hoffentlich auch Marquis Richards mit der Stabtasche aus einer Lastwagenplane. Und darauf die vielen Spendernamen – und das «Wochenblatt»-Logo.
Crowdfunding
sav. Der noch junge Begriff geht auf das englische «the crowd» für «die Menge» und «to fund» für «fördern, finanzieren» zurück. In den letzten Jahren hat die Finanzierung von privaten Initiativen über das Internet mittels Crowdfunding stark zugenommen.
Bis gestern Mittwoch Mittag hat das Projekt von Marquis Richards 18 210 Franken durch 91 Unterstützer eingebracht. Er hat damit nach einem Monat sein Ziel von 15 000 Franken bereits übertroffen. «Das freut mich natürlich ausserordentlich», sagt Richards, «und es erhöht den Druck, erfolgreich zu sein».
Die Aktion läuft noch 56 Tage.