Nach einem Jahr in Arlesheim kehrte die Farbe in ihr Leben zurück
Die Ukrainerin Iryna Kurhanova stellt seit dem Wochenende ihre Kunst in Arlesheim aus. Sie erzählt von einem Neuanfang, zeigt aber auch die Verbundenheit der Künstlerin mit ihrer Heimat.
Wer am vergangenen Sonntag den Frühling suchte, musste in den ersten Stock der Holzofenbäckerei Bio Andreas im Arlesheimer Dorfzentrum pilgern. Dort lud die Ukrainerin Iryna Kurhanova zur Vernissage ihrer Ausstellung «Die Sprache des Frühlings» ein.
Als sie im März 2022, einen Monat nach Kriegsausbruch, in die Schweiz gekommen war, habe sie nur mit Bleistift gezeichnet, erzählt sie. «Ich war sehr traurig, konnte keine Farbe im Leben sehen.» Als ob sie versucht hätte, sich an die neue Umgebung anzutasten, zeigen ein paar nüchtern mit Bleistift gezeichnete Bilder Gebäude in Arlesheim – etwa auch jenes alte Haus, in dem die Künstlerin nun ihre Werke ausstellt. Ein Jahr hat es gedauert, bis Iryna Kurhanova wieder Farbe in ihre Kunst bringen konnte. Dies hat wohl mit der Erfahrung zu tun, welche die Ukrainerin als Geflüchtete in ihrem neuen Zuhause gemacht hat: «Ich war sehr überrascht von der Offenheit und der Herzlichkeit der Menschen, die mir hier in Arlesheim entgegengebracht wurde.»
Passend dazu zeigen einige Werke Motive, die von einem alten und einem neuen Leben erzählen – wie etwa bunte Blumen, die aus einem schwarzen Hintergrund spriessen. Wichtig scheint ihr aber auch, Traditionen ihrer Heimat einem Publikum in der Schweiz zu vermitteln, weshalb die Osterzeit ein starkes Motiv ihrer Bilder ist. «Ostern hat in der Ukraine eine sehr grosse Bedeutung, es gibt viele Rituale, wie etwa, dass die Menschen an Ostern ihre Häuser putzen. Ostern steht also auch für einen Neuanfang.»
Zeit für Kunst
Die Liebe zur Malerei hat Iryna Kurhanova von ihrem Vater geerbt. «Ich wollte immer malen, fand aber früher keine Zeit dazu», erzählt die 70-Jährige, die Medizin studiert und in Lemberg als Ärztin und Forscherin an einem Institut für Mikrobiologie und Epidemiologie mit Schwerpunkt Typhus gearbeitet hat. In leitender Position war sie für die Entwicklung von Medikamenten, die heute in der Ukraine auf dem Markt sind, verantwortlich. Neben der Arbeit blieb kaum Zeit für die Kunst, kümmerte sich Kurhanova schliesslich noch um ihre Eltern, die schwer erkrankt waren. «Seit ich pensioniert bin, kann ich etwas für meine Seele machen», erzählt sie lächelnd. Während sieben Jahren hat sie an einer Kunstschule in Lemberg Malerei studiert, stellte ihre Kunst schon in der Ukraine und in Polen aus und war zudem Leiterin der Kreativwerkstatt der katholischen Seniorenuniversität in Lemberg.
Krieg: Jahre statt Wochen
Verwandte hat Iryna Kurhanova in der Ukraine keine mehr, zu Freunden pflegt sie aber regelmässig Kontakt. Auf die Frage, ob sie wieder einmal in die Ukraine zurückkehren möchte, sagt sie: «Solange Krieg ist, bleibt diese Frage in der Luft.» Man verwende in ihrer Heimat diese Worte, um zu sagen, dass sich die Frage nicht stelle. Als sie 2022 aus ihrem Land geflüchtet war, dachte sie, der Krieg würde zwei Wochen dauern. «Alle, die ich kenne, sagten, dass es eine kurze Sache sei und bald wieder verhandelt werde», erzählt sie. Aus zwei Wochen sind zwei Monate und nun zwei Jahre geworden. Umso wichtiger war es für sie, sich in Arlesheim ein neues Leben aufzubauen: «Dank der Unterstützung vieler guter Menschen ist mir das gelungen.» Für sie ist die Ausstellung eine Gelegenheit, sich für die Gastfreundschaft zu bedanken.
«Die Sprache des Frühlings», Bilder von Iryna Kurhanova, Holzofenbäckerei Bio Andreas, im 1. Stock während der Öffnungszeiten der Bäckerei. Bis am 7. Mai.