Das Leben im Labyrinth
Im Neuen Theater am Bahnhof brillierte Graziella Rossi in der Hauptrolle von Charles Lewinskys Stück «Weg damit!». Der Musiker Daniel Fueter verblüffte mit unterschiedlichsten Keyboardklängen.
Thomas Brunnschweiler
Das Gastspiel brachte eine Schauspielerin nach Arlesheim, die in «Lüthi und Blanc» mitspielte und bereits in mehreren Kinofilmen zu sehen war. Ihr Begleiter, der Komponist und Musiker Daniel Fueter, hat schon mit allen wichtigen Leuten des Theaters in der Schweiz zusammengearbeitet. Die Erwartungen waren am letzten Freitag dementsprechend hoch. Und sie wurden nicht enttäuscht. Der Inhalt des Stücks ist rasch erzählt. Im Altersheim ist ein Bewohner gestorben. Die Putzfrau Klara muss das Zimmer leer räumen, um es für den nächsten Gast freizumachen. Normalerweise interessiert sie sich nicht für die weggeräumten Gegenstände und das Leben der Verstorbenen. Aber diesmal ist es anders. Sie findet ein Tagebuch und eine Schallplatte des verstorbenen Musikers. Plötzlich tritt sie mit dem Toten in einen inneren Dialog. Und unvermittelt verändert das, was er ihr zu sagen hat, ihr Leben. Sie rät ihrer schwangeren Tochter, die sie anfangs zur Abtreibung drängt, am Ende, das Kind zu behalten.
Zwischen Boulevard und Drama
Der Autor Lewinsky hat bekanntlich zwei Seiten: eine eher ernste, die sich im Roman «Melnitz» zeigt, und eine heitere, wie sie etwa in der Fernsehsoap «Fascht e Familie» sichtbar wird. In «Weg damit!» verschmelzen die beiden Facetten. Dem Stück gelingt der Spagat zwischen boulevardeskem Singstück und Sozialdrama. Ursprünglich war es als Ein-Frau-Stück gedacht, aber Regisseur Ueli Bichsel lässt den verstorbenen Heimbewohner in fast schon absurder Manier auferstehen. Der erst noch Tote stellt sich in einen Waschzuber und fährt mit diesem durch den Kleiderschrank davon. Für die Putzfrau Klara unsichtbar, begleitet er sie putzmunter am Keyboard und gibt auch dem strengen Direktor und dem pädagogischen Programm der Altersheimaufsicht eine Stimme. Daniel Fueter spricht letztere mit genüsslicher Ironie und überzeugt ebenfalls durch sein virtuoses Spiel auf dem Tasteninstrument.
Hervorragende Leistung
Getragen aber wird das Stück durch die herausragende schauspielerische und gesangliche Leistung von Graziella Rossi. Sie mimt die Putzfrau Klara mit einer Mischung aus existenzieller Überforderung, Schnoddrigkeit und Sentimentalität. Sie interpretiert die Songs von Markus Schönholzer, die teilweise an Kurt Weills Lieder erinnern, mit sicherer Intonation und klarer Diktion. Ihre Monologe sind witzig bis zynisch, sprachspielerisch und teilweise nicht ohne Abgründigkeit. Einmal sagt Klara: «Das Leben ist ein Labyrinth». Dass darin am Ende das Leben siegt und sich die angehende Grossmutter mit ihrem Schicksal abfinden kann, hat sie keinem anderen zu verdanken als dem verstorbenen Musiker, der für sie so etwas wie ein imaginärer Traummann wird. Ein zauberhafter Theaterabend.