Anthroposophische Medizin für Kinder: Alternativen sind weit weg
Verwaltungsratspräsident Philipp Schneider und der Ärztliche Leiter Lukas Schöb erklären die Schliessung des ambulanten Angebots der Klinik Arlesheim für Kinder und Jugendliche. Sie können die Enttäuschung vieler Eltern nachvollziehen.
Im November gab die Klinik Arlesheim bekannt, dass Ende April das ambulante Angebot in der Kinder- und Jugendmedizin geschlossen wird. Als Gründe nannte die Klinik die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Betroffen von dieser Schliessung sind drei Ärztinnen, die sich ein Vollzeitpensum von insgesamt 110 Stellenprozenten teilen. Für zwei langjährige Mitarbeitende wurden individuelle Lösungen erarbeitet. So für Bernhard Wingeier, der seine Sprechstunde bis zu seiner Pensionierung im Sommer 2025 weiterführen wird.
Bei vielen betroffenen Eltern löste die Ankündigung Enttäuschung, Angst und Unverständnis aus. «Wir haben Reaktionen erhalten. Ich kann die Enttäuschung vollends verstehen», sagt Verwaltungsratspräsident Philipp Schneider im Gespräch mit dem Wochenblatt. Die Reaktionen fielen aber weit weniger heftig aus als noch vor 13 Jahren, als mit der Geburtsklinik eine ganze Abteilung geschlossen wurde. Rückblickend sei dies die richtige Entscheidung gewesen, meint Schneider. «Manchmal braucht es solche schwierigen Entscheidungen, um die Klinik langfristig wirtschaftlich gesund zu halten.»
Den ambulanten Bereich für Kinder und Jugendliche gibt es in der Klinik Arlesheim seit rund 35 Jahren. Gegen 1400 Familien wurden schriftlich über die Schliessung informiert. Die Nachfrage nach dem medizinischen Angebot ist ungebrochen gross. Trotzdem sei die Wirtschaftlichkeit nicht mehr gegeben gewesen. Sämtliche Spitäler stünden aktuell unter Druck. «Eine enorme Umwälzung ist im Gange», erklärt Schöb, der als Präsident der Vereinigung Nordwestschweizer Spitäler die Situation gut kennt. «Die Tarife steigen nicht so stark wie die Kosten. Die Spitäler werden finanziell gedrückt. Es herrscht in allen Disziplinen, speziell aber bei der Kinder- und Jugendmedizin, Fachkräftemangel. Dazu kommt die Inflation.» Die Prozesse und IT-Systeme in der Kinder- und Jugendmedizin seien ganz andere als in der Erwachsenenmedizin, führt Schöb aus. Beides zu vereinen, sei deshalb nur schwierig machbar.
Pläne für externe Praxis gescheitert
Verwaltungsrat und Klinikleitung hätten sich gewünscht, das Angebot für Kinder und Jugendliche könnte in einer externen Gruppenpraxis organisatorisch und regulatorisch unabhängig von der Klinik weitergeführt werden. Doch es konnte keine passende Lösung gefunden werden, auch weil dafür Kinderärztinnen und Kinderärzte fehlen. «Es ist nicht zukunftsträchtig, unter dem Dach einer Erwachsenenklinik auch Kinder- und Jugendmedizin anzubieten», gibt Schöb zu bedenken. «Die beiden Sparten sind ganz verschiedene Angebote», ergänzt Philipp Schneider.
Die Klinik Arlesheim will sich auf die Sparten Onkologie, Psychiatrie und Innere Medizin konzentrieren, ansonsten würde man sich verzetteln, meinen Schneider und Schöb. Sie wüssten, dass die Erwartungen an die Klinik Arlesheim als Wiege der anthroposophischen Medizin von Ita Wegman hoch sind. «Aber es kann nicht unser Anspruch sein, für alles verantwortlich zu sein», findet Schöb. Die Klinik Arlesheim werde oft mit Erwartungen konfrontiert, die sie nicht erfüllen könne.
Gesucht: Anschlusslösungen
Der Verwaltungsratspräsident und der Ärztliche Leiter der Klinik Arlesheim wissen um die schwierige Situation für viele Eltern und Kinder. Denn ein entsprechendes Ersatzangebot gibt es in der Nähe nicht. «In Basel hat es ein paar wenige Praxen», sagt Schöb auf die Frage, wo Kinder und Jugendliche künftig ambulant auf anthroposophischer Basis behandelt werden könnten.
Es würden längst nicht alle Kinder und Jugendlichen aufgrund der Anthroposophie in der Klinik Arlesheim behandelt. Bei vielen sei es auch ein rein geografischer Entscheid. Schneider und Schöb machen aber kein Geheimnis daraus, dass ihnen die künftige Situation vieler Eltern, Kinder und Jugendlicher Sorgen bereitet. An ihrer Entscheidung zweifeln der Verwaltungsratspräsident und der Ärztliche Leiter trotzdem nicht.
Ausbildungsplätze sind gefragt
Trotz der negativen Nachricht haben Schneider und Schöb auch Positives zu vermelden. Die Nachfrage nach Ausbildungsplätzen von Ärztinnen und Ärzten bei der Klinik Arlesheim sei gross. Darunter seien auch angehende Kinder- und Jugendärztinnen und -ärzte. «Aber es geht Jahre, bis sich das für die Eltern bemerkbar macht», warnt Schöb vor allzu früher Euphorie. Die Klinik Arlesheim kümmere sich nach wie vor stark um die anthroposophische Medizin. Beiden ist wichtig, klarzustellen, dass die Schliessung der Kinder- und Jugendmedizin nichts mit dem Neubau zu tun hat. Dies sei kein «Luxusprojekt», als das es ab und zu dargestellt werde, sondern «absolut notwendig für die Zukunft der Klinik».