Lesung von Thomas Meyer: Eine schöne Art, Jiddisch zu lernen
In einem Kultur-Event der FDP las Thomas Meyer am vorletzten Mittwoch in der Trotte aus seinem Debütroman «Wolkenbruchs wunderliche Reise in die Arme einer Schickse» und zog damit das Publikum auf seine Seite.
Thomas Brunnschweiler
Der 1974 geborene Thomas Meyer stellte sich zu Beginn mit dem autobiografischen Text «Ich werde euch zeigen, dass das geht, ihr Narren» vor. Ein Buchstaben-Fan sei er gewesen, eine Leseratte und ein Einzelgänger. Im Gymnasium traf er auf pädagogische Psychopathen und sterbenslangweilige Bücher. Beim Studium der Rechtswissenschaft «wurden die Bücher wirklich öde». Der Wechsel in die Werbebranche behagte ihm eher. Dann beschäftigte sich Meyer mit jüdischen Namen und befand «Wolkenbruch» als würdig für seinen Protagonisten Mordechai «Motti» Wolkenbruch.
Und so begann er – selbst Jude ohne Anbindung an eine Synagoge – einen Roman zu schreiben über einen unerfahrenen jüdischen Mann, den seine «mame» verkuppeln will mit Mädchen, die aussehen wie sie. Aber eigentlich gefällt ihm nur Laura so richtig, eine «schikse», ein nicht-jüdisches «mejdl» also. Langsam beginnt sich der Held von seinem jüdischen Umfeld zu emanzipieren, ohne aber ein «goj» werden zu wollen.
Der Reiz des Jiddischen
Wer sich auf den satirischen Roman von Thomas Meyer einlässt, stolpert ständig über jiddische Ausdrücke, die in einem Glossar erklärt werden. Das Jiddische hat einen besonderen Reiz, weil sich Relikte des Mittelhochdeutschen mit dem Hebräischen verbinden. Da der Autor nicht nur idiomatisch dick aufträgt, sondern auch fast alle jüdischen Klischees bedient, kam ein deutscher Literaturprofessor auf die bizarre Idee, Meyers Buch sei «antisemitisch»; und da Meyer seinen Antisemitismus in angeblich naiver Manier nicht einmal erkenne, spiele er grob fahrlässig allen Antisemiten in die Hände. Wer Meyer in der Trotte zuhörte, spürte da etwas ganz anderes.
Dem Autor gelingt es nämlich gerade durch satirische Überspitzung, Sympathien zu schaffen für eine Kultur, die manche leider viel zu wenig kennen. Auf Nachfrage nahm Meyer auch Stellung: «Der besagte Kritiker macht keinen Unterschied zwischen antisemitischen und jüdischen Klischees.» Die einen seien gehässig und destruktiv, die andern hingegen liebevoll formuliert und harmlos. Jüdische Leserinnen und Leser sehen sich – wenn sie sich denn mokieren – eher in ihren chauvinistischen Gefühlen verletzt; Meyer plaudert halt gerne aus dem Nähkästchen.
Chuzpe und Selbstironie
Der dritte Text, «Der Frontblitzer», provozierte am meisten Lacher. Er ist in Timing und Witz so genial konzipiert, dass man sich ein ganzes Buch von solchen Geschichten wünscht. Angesprochen auf den Nahostkonflikt gab sich Meyer wenig diplomatisch: «Beide Seiten sind idiotisch und rechthaberisch.» Diese Offenheit hat dem Autor Schelte von jener Seite eingetragen, die Kritik an Israel als Verrat an der jüdischen Sache insgesamt sieht. Wenn es ein Klischee gäbe, dass Brille tragende, feingliedrige Autoren Chuzpe, stilistische Brillanz und Selbstironie besitzen, so träfe dieses voll und ganz auf Thomas Meyer zu.