«Projekte der Region Basel haben hohen Stellenwert»
Bundesrat Albert Rösti (SVP) hält kommenden Montag am Pfeffinger Forum einen Vortrag über die Auslastung der Infrastruktur. Im Interview erklärt er, warum sich der Bundesrat für einen Ausbau der Nationalstrassen ausspricht, wieso er gleichzeitig im regionalen ÖV sparen will und wieso die Projekte der Region Basel wichtig sind.
Herr Rösti, Sie halten am Pfeffinger Forum ein Referat mit dem Titel «Infrastruktur am Limit?». In welchen Bereichen ist unsere Infrastruktur überlastet?
Albert Rösti: Die Nationalstrassen sind an verschiedenen Stellen überlastet und der Verkehr nimmt weiter zu. Die Folgen sind Stau und hohe Kosten für Bevölkerung und Wirtschaft. Der Bundesrat und das Parlament wollen mit sechs Projekten gezielt Engpässe beseitigen, damit Lastwagen und Autos nicht in Wohnquartiere und Dörfer ausweichen. Das sorgt auch für mehr Sicherheit für alle Verkehrsteilnehmenden und weniger Schadstoffausstoss.
Am 24. November stimmen wir über den Ausbau von Nationalstrassen ab. Darunter ist auch das Projekt für den neuen Rheintunnel in Basel. Kostenpunkt für alle sechs Projekte: rund fünf Milliarden Franken. Bundesrat und Parlament sind für diesen Ausbau. Weshalb?
Der Basler Abschnitt der A2 zwischen den Verzweigungen Wiese und Hagnau ist heute insbesondere an Werktagen stark überlastet. Die Situation dürfte sich aufgrund der Verkehrszunahme weiter zuspitzen. Ohne Gegenmassnahmen werden Staustunden sowie Ausweichverkehr in Quartiere und umliegende Agglomerationsgemeinden weiter zunehmen. Das aus den 1960er-Jahren stammende Nationalstrassennetz soll den heutigen und zukünftigen Bedürfnissen der Gesellschaft und Wirtschaft angepasst werden und Dörfer und Quartiere von staubedingtem Ausweichverkehr befreien.
Die Gegner der Vorlage sagen, mit dem Autobahnausbau nehme der Verkehr zu, die Umweltbelastung und der CO2-Ausstoss würden höher.
Der Verkehr nimmt nicht aufgrund des Ausbaus zu, wir reagieren mit dem Ausbau auf die gestiegene Nachfrage, die sich auch aus dem Bevölkerungswachstum ergeben hat. Deshalb setzt das Bundesamt für Strassen (Astra) heute und auch in Zukunft nebst gezielten Ausbauten auch auf verschiedene wirksame Verkehrsmanagement-Massnahmen wie etwa das flexible Reduzieren der Geschwindigkeit zu Spitzenzeiten. Mit diesen Massnahmen sollen die vorhandenen Strasseninfrastrukturen möglichst effizient genutzt werden. Dank des technologischen Fortschritts, vor allem der Elektrifizierung des Strassenverkehrs, wird dieser effizienter und klimafreundlicher. Weniger Stau bedeutet zudem auch weniger CO2-Ausstoss.
Ein Dauerthema der Region Basel ist die angespannte Verkehrssituation auf der Nationalstrasse 18 (N18). Lange Staus sind an der Tagesordnung. Ein Komitee fordert einen Ausbau der N18 sowie die Beseitigung der Engpässe. Wie ist der Stand der aktuellen Korridorstudie und welche Bedeutung schreiben Sie dem Projekt zu?
Die Korridorstudie Basel Delémont ist noch in Arbeit. Die Publikation ist für Ende Jahr 2024 geplant. Es ist für den Bund unbestritten, dass auf dieser Achse Verkehrsprobleme bestehen und diese gelöst werden müssen.
Der Bundesrat will ab 2025 beim regionalen ÖV sparen. Damit dürfte das Angebot reduziert werden – oder aber die Ticketpreise steigen. Das betrifft auch die Agglomerationsgebiete. Warum setzen Sie den Rotstift gerade dort an?
Die Ausgaben im Bundeshaushalt wachsen aktuell deutlich stärker als die Einnahmen. Der Bundesrat will den Bundeshaushalt ins Gleichgewicht bringen und wieder Handlungsspielraum erlangen. Hierfür müssen alle Ausgabengebiete einen Beitrag leisten, unter anderem auch der regionale ÖV. Aktuell entwickelt sich die finanzielle Situation des regionalen ÖV dank der Tariferhöhung per Ende 2023 und des Verkehrswachstums positiv, und für die Transportunternehmen werden für 2024 erneut erfreuliche Rechnungsabschlüsse erwartet. Sollte sich erweisen, dass die angepeilte Stabilisierung der Subventionen nicht möglich ist, müssten die Tarife dann erhöht und damit die Nutzerfinanzierung verstärkt werden. Vorher nicht.
Durch die Sparabsicht im ÖV wird das Auto attraktiver. Ist so nicht noch mehr Stau vorprogrammiert?
Das Nationalstrassensystem ist mit den aktuellen Staustunden nicht attraktiv. Für ein funktionierendes Verkehrssystem braucht es beides, sowohl Schiene als auch Strasse. Die Schiene kann den Verkehr der Strasse schlicht nicht absorbieren. Und das gilt auch umgekehrt. Will man das eine System gegen das andere ausspielen, dann hat das mit der Verkehrsrealität in der Schweiz überhaupt nichts zu tun.
In der Region Basel wurde zuletzt viel in den Bahnausbau investiert. Dennoch hängen noch einige Projekte in der Schwebe, so etwa die unterirdische Bahnverbindung «Herzstück». Welchen Stellenwert haben die Infrastrukturprojekte der trinationalen Region beim Bundesrat?
Diese haben einen hohen Stellenwert. Wie Sie richtig bemerken, hat der Bund bereits viel in den Bahnausbau in der Region Basel investiert bzw. sind weitere Investitionen beschlossen und werden in den nächsten Jahren umgesetzt (z. B. zusätzliche Überführung mit Zugang zu den Perrons am Bahnhof SBB). Das Parlament hat beim letzten Ausbauschritt im Jahr 2019 festgelegt, dass ein weiterer Ausbau des Bahnknotens Basel im Hinblick auf den nächsten Ausbauschritt zu den prioritär zu prüfenden Projekten gehört. Gleichzeitig gilt es festzuhalten, dass die Finanzmittel und die Ressourcen für Bahnausbauten begrenzt sind und es auch in anderen Regionen der Schweiz wichtige Projekte gibt.
Zur öffentlichen Infrastruktur gehört auch die Energieversorgung. 2017 hat das Volk Ja gesagt zum schrittweisen Ausstieg aus der Atomenergie. Ende August erklärten Sie überraschend, der Bundesrat wolle das Neubauverbot für Atomkraftwerke aufheben. Wie kommt es zu dieser Kehrtwende?
Die Ausgangslage auf dem Strommarkt hat sich seit dem Jahr 2017 grundlegend verändert. Dies hat uns deutlich vor Augen geführt, wie wichtig eine sichere und unabhängige Stromversorgung für unser Land ist. Ich will aber auch noch betonen, dass dieser Entscheid keinesfalls ein Entscheid gegen die Erneuerbaren ist. Es geht dem Bundesrat um die Technologieoffenheit. Man kann aktuell nicht abschliessend sagen, was in Zukunft die günstigste und beste Möglichkeit ist, genügend Strom zu produzieren. Technologieoffenheit schafft auch Handlungsoptionen.
Ihr Besuch in Pfeffingen sorgt im Vorfeld bereits für Aufsehen: Die Organisation «Hunt Watch» rund um den Basler Tierschützer Olivier Bieli hat eine Demonstration angekündigt – allerdings nicht wegen der Infrastrukturdebatte, sondern wegen Ihrer Politik zu den Wolfsbeständen. Wie reagieren Sie darauf?
Als Bundesrat nehme ich die Anliegen der Bevölkerung ernst, auch jene, die mit der Wolfsproblematik und dem Schutz der Biodiversität verbunden sind. Die Rückkehr des Wolfs in die Schweiz ist eine Herausforderung, aber auch ein Zeichen, dass sich unser Ökosystem regeneriert. Unser Ziel ist es, eine Balance zu finden zwischen dem Schutz des Wolfes und den berechtigten Interessen der Landwirtschaft und der Bevölkerung in den Gebieten mit Wolfspopulationen.