«Das ist ein Krieg zwischen Unmenschen und Menschen»
Der russische Schriftsteller Michail Schischkin referierte vergangenen Donnerstag in der Aula des Regionalen Gymnasiums Laufental-Thierstein und erläuterte in einfachen und teilweise sehr persönlichen Worten seine Sicht auf den Krieg in der Ukraine.
Es sei ein absolutes Privileg, den berühmtesten Gegenwartsliteraten Russlands zu Gast zu haben, begrüsste Rektor Isidor Huber die Schülerinnen und Schüler und Lehrpersonen in der Aula. Der preisgekrönte Autor sei zurzeit ein besonders gefragter Mann, gebe landauf, landab Interviews und nehme an Gesprächen teil. Er freue sich darum sehr, dass sich Michail Schischkin die Zeit genommen habe, den Schülerinnen und Schülern der Stufen P3 bis MAR3 seine Sicht auf den Krieg in der Ukraine zu schildern und ihnen zu erklären, warum Putin diesen Krieg eigentlich schon verloren hat und Russland schon bald einen neuen «Zaren» braucht. Als Michail Schischkin den Vortrag mit seinem «Brief an Europa» eröffnete, hätte man wohl eine Stecknadel fallen hören können. Der Autor fasste treffend zusammen, wie das nach dem Zweiten Weltkrieg neu aufgebaute, so stolze Europa im «Alltagsstress» versank und nun, da Krieg herrscht, das Gemeinschaftsgefühl wieder erwache und sich Europa zur Ukraine bekenne. «Europa, in diesen Tagen und Wochen bist du du selbst geworden.» Es räche sich nun jedoch, dass Europa «drogenabhängig» von russischem Öl sei.
Persönliche Aussagen
Michail Schischkin verhehlte seine Wut auf Russland nicht: «Es tut weh, Russe zu sein», sagte er. «Putin hat Russisch zur Sprache der Mörder gemacht. Meine Mission ist es nun, zu zeigen, dass es ein anderes Russland gibt, nicht alle Russen unterstützen Putin.» Und trotzdem: Als Russe trage man die Verantwortung für das, was passiere, denn die meisten Russen würden schweigen. «In einer Demokratie ist die Macht von der Bevölkerung abhängig, in einer Diktatur ist es genau umgekehrt.» Die Menschen hätten darum Angst. Es sei nur der kleinere Teil der russischen Bevölkerung, der sich mit Europa identifiziere, der grössere Teil gebe immer dem «Stamm» recht und es seien immer die anderen Schuld. «Sie unterstützen die russische Armee, auch wenn diese falsch liegt. Immer.» Das liege nicht zuletzt auch daran, dass freie Informationen nur über Telegram zu bekommen seien. Leute, die eine andere Meinung vertreten, würden im Gefängnis landen oder das Land verlassen.
Düstere Zukunftsaussichten
Ein echter Zar gewinne Kriege. Putin habe die Krim annektiert und gegen Tschetschenien gewonnen und sei als echter «Zar» gefeiert worden. «Nun verliert Putin», sagte Schischkin, «die Suche nach dem neuen Zaren hat bereits begonnen.» Schischkin prophezeit Russland den «psychologischen und wirtschaftlichen Ruin.» Russland werde weiter zerfallen und in anarchistische Zustände geraten. Der Wunsch nach einer starken Hand werde einen neue Diktatur hervorbringen und der Westen werde die Hand des neuen Diktators schütteln — Russland gerate immer wieder in den gleichen Teufelskreis. Für einen wahren Neubeginn brauche es die Schuldanerkennung. Die Schülerinnen und Schüler lauschten gebannt den Worten des Autors und hatten im Anschluss die Gelegenheit, Fragen zu stellen. Diese wurde auch rege genutzt und der Autor beantwortete sie ausführlich.